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Zelot

Zelot

Titel: Zelot
Autoren: Reza Aslan
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der Apostelgeschichte des Lukas, nicht von den Menschen geschrieben wurden, nach denen sie benannt sind, werde ich die Verfasser der Evangelien der Einfachheit und Klarheit halber weiter mit den Namen bezeichnen, die uns heute geläufig sind. Und schließlich bezeichne ich in diesem Buch das Alte Testament wissenschaftlich angemessener als die Hebräische Bibel oder die Hebräischen Schriften.

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    Einführung
    Es ist ein Wunder, dass wir überhaupt etwas über den Menschen Jesus von Nazaret wissen. Die Wanderprediger, die mit einer Schar zerlumpter Anhänger im Schlepptau von Dorf zu Dorf zogen und lautstark das Ende der Welt verkündeten, waren zu Jesu Zeiten ein vertrauter Anblick – so vertraut, dass sie in der römischen Elite zu einer Art Karikatur verkommen waren. In einem absurden Abschnitt über genau so eine Gestalt schildert der griechische Philosoph Kelsos einen jüdischen heiligen Mann, der in Galiläa übers Land zieht und ohne ein bestimmtes Gegenüber vor sich hin ruft: «Ich bin der Gott oder Gottes Knecht oder ein göttliches pneuma [Geist]. Aber ich komme, denn die Welt ist schon dem Untergang geweiht. Und ihr werdet mich bald kommen sehen mit der Macht des Himmels.»
    Das 1. Jahrhundert war eine Ära apokalyptischer Erwartung unter den Juden des großen Territoriums, das die Römer als «Palästina» bezeichneten und das das moderne Israel/Palästina ebenso umfasste wie weite Teile Jordaniens, Syriens und des Libanon. Zahllose Propheten, Prediger und Messiasse zogen durch das Heilige Land und kündeten vom nahen Gericht Gottes. Viele dieser sogenannten falschen Messiasse kennen wir namentlich. Einige wenige tauchen sogar im Neuen Testament auf. Der Prophet Theudas hatte nach Darstellung der Apostelgeschichte 400 Jünger, bevor die Römer ihn festnahmen und köpften. Eine mysteriöse charismatische Gestalt, die nur «der Ägypter» genannt wird, stellte in der Wüste ein Heer auf, das dann von römischen Soldaten ausgelöscht wurde. Im Jahr 4  v. Chr., dem Jahr, in dem nach Meinung der meisten Fachleute Jesus von Nazaret geboren wurde, setzte sich ein armer Schafhirte namens Athronges ein Diadem auf den Kopf und krönte sich damit selbst zum «König der Juden»; er und seine Anhänger wurden von einer Legion Soldaten niedergemetzelt. Ein weiterer messianischer Aspirant, der sich einfach «der Samariter» nannte, wurde von Pontius Pilatus gekreuzigt, obwohl er noch nicht einmal ein Heer aufgestellt und Rom in keiner Weise herausgefordert hatte – ein Fingerzeig darauf, dass die Behörden das um sich greifende apokalyptische Fieber spürten und extrem empfindlich geworden waren. Dann gab es da noch den Bandenführer Hiskia, Simon von Peräa, Judas den Galiläer, seinen Enkel Manaim, Simon bar Giora und Simon bar Kochba. Sie alle traten mit messianischen Ansprüchen hervor, und sie alle wurden von Rom deshalb hingerichtet. Auf diese Liste gehört auch die Sekte der Essener, von denen einige in Abgeschiedenheit auf dem ausgedörrten Plateau von Qumran nahe dem Nordwestufer des Toten Meeres lebten; dann die Zeloten, eine revolutionäre jüdische Gruppierung des 1 . Jahrhunderts, die einen blutigen Krieg gegen Rom mit anzettelte; und schließlich die Furcht einflößenden militanten Attentäter, die die Römer
Sicarii
(Dolchträger) nannten – Palästina durchlebte im 1 . Jh. n. Chr. eine Ära intensiver messianischer Energie.
    Man kann Jesus von Nazaret nur schwer direkt in eine der bekannten religiös-politischen Bewegungen seiner Zeit einordnen. Er war ein Mann tiefgreifender Widersprüche, predigte an einem Tag die ethnische Ausschließlichkeit («Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt», Mt  15 , 24 ), am nächsten den wohlwollenden Universalismus («Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern», Mt  28 , 19 ); einmal forderte er bedingungslosen Frieden («Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden», Mt  5 , 9 ), ein anderes Mal sprach er sich für Gewalt und Konflikt aus («Wer aber kein Geld hat, soll seinen Mantel verkaufen und sich dafür ein Schwert kaufen», Lk  22 , 36 ).
    Der historische Jesus ist so schwer zu fassen, weil es außerhalb des Neuen Testaments kaum Spuren des Mannes gibt, der den Lauf der Menschheitsgeschichte so dauerhaft verändern sollte. Die früheste und verlässlichste nichtbiblische Erwähnung Jesu findet sich im 1 . Jahrhundert bei dem jüdischen
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