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Zeitspringer

Zeitspringer

Titel: Zeitspringer
Autoren: Robert Silverberg
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und sanften Augen von einer Färbung, die nicht ganz grün und nicht ganz blau war. Seine Lippen waren schmal und fest zusammengepreßt, was ihm einen Ausdruck der Entschlossenheit verlieh, den ein wenig kräftiges Kinn sofort Lügen strafte.
    Spielerisch warf er einen Stein ins Wasser.
    »Holt ihn!« rief er, als zwei Kroks lautlos auf den Wirbel im Wasser zuglitten, in der Hoffnung, einen fetten Klumpen Fleisch zu ergattern. Aber der Stein sank, schwarze Luftbläschen quollen herauf, und die Kroks stießen ihre spitzen Nasen leicht zusammen und glitten auseinander. Quellen lächelte.
    Es war ein schönes Leben hier im Herzen der Dunkelheit, hier im tropischen Afrika. Samt Insekten und allem, schwarzem Schlamm und allem, feucht-schwüler Einsamkeit und allem. Sogar die Angst vor der Entdeckung war erträglich.
    Quellen ging die Liste der guten Dinge durch. Marok? dachte er. Hier gab es keinen Marok. Keinen Koll, keinen Spanner, keinen Brogg, keinen Leeward. Keinen von ihnen. Aber erst recht keinen Marok. Ihn vermisse ich am wenigsten.
    Was für eine Erholung war es, hier draußen bleiben zu können und nicht ihre summenden Stimmen ertragen, nicht schaudern zu müssen, wenn sie in sein Büro stürmten! Freilich war es unverantwortlich und unmoralisch von ihm, sich auf diese Weise als Übermensch einzurichten, als ein moderner Raskolnikow, für den kein Gesetz mehr galt. Quellen räumte das ein. Und doch, so sagte er sich oft, war die Lebensreise eine, die er nur einmal machen würde, und was würde am Ende bleiben, außer daß er einen Teil des Weges auf Stufe Eins zurückgelegt hatte?
    Das war die einzige Freiheit, hier draußen.
    Und das Beste war, fern von Marok, dem verhaßten Zimmergenossen, zu sein. Keine Sorgen mehr um seine Stapel ungespülten Geschirrs, seine Haufen von überall in dem winzigen gemeinsamen Zimmer verstreuten Büchern, seine trockene, tiefe Stimme, endlos am Videofon, wenn Quellen sich zu konzentrieren versuchte.
    Nein. Hier gab es keinen Marok.
    Und trotzdem, dachte Quellen traurig, trotzdem hatte sich der Friede, den er beim Bau dieses neuen Heims erwartete, aus irgendeinem Grund nicht eingestellt. Das war der Lauf der Welt: Befriedigung, die sich im Augenblick, da sie erreicht wurde, in nichts auflöste. Jahrelang hatte er mit bemerkenswerter Geduld auf den Tag gewartet, an dem er Stufe Sieben erreichen und das Recht erlangen würde, allein zu leben. Der Tag war gekommen, aber es hatte nicht genügt. So hatte er Afrika für sich gestohlen. Und nun, da er sogar das erreicht hatte, war das Leben einfach eine bedrückende Angst nach der anderen.
    Ruhelos schleuderte er wieder einen Stein ins Wasser.
    Pöng.
    Während er verfolgte, wie die konzentrischen Kreise der Kräuselung sich auf der dunklen Wasseroberfläche ausbreiteten, wurde Quellen sich erneut der Warnglocke bewußt, die am anderen Ende des Hauses läutete. Pöng. Pöng. Pöng. Seine innere Unruhe verwandelte sich in dumpfe Vorahnung. Er schob sich aus dem Sessel und eilte zum Fongerät. Pöng.
    Quellen schaltete es ein, aber nicht das Bild. Es war nicht leicht gewesen, es so einzurichten, daß alle Anrufe in seiner Wohnung daheim in Appalachia, eine halbe Welt entfernt, automatisch hierher umgeleitet wurden.
    »Quellen«, sagte er, den Blick auf den grauen, leeren Bildschirm gerichtet.
    »Hier Koll«, kam krächzend Antwort. »Konnte Sie bis jetzt nicht erreichen. Warum schalten Sie das Bild nicht zu, Quellen?«
    »Es funktioniert nicht«, sagte Quellen. Er hoffte, der wache Koll, sein unmittelbarer Vorgesetzter im Sekretariat Verbrechen, werde die Lüge in seiner Stimme nicht bemerken.
    »Kommen Sie sofort her, Quellen, ja? Spanner und ich haben etwas Dringendes mit Ihnen zu besprechen. Verstanden, Quellen? Dringend. Eine Sache der Hohen Regierung. Man setzt uns stark unter Druck.«
    »Ja, Sir. Sonst noch etwas, Sir?«
    »Nein. Die Einzelheiten erfahren Sie, wenn Sie hier sind. Auf der Stelle!« Koll unterbrach die Verbindung abrupt.
    Quellen starrte eine Zeitlang auf den leeren Sichtschirm und kaute an seiner Lippe. Entsetzen hatte ihn erfaßt. War er das, der Ruf in die Zentrale, damit man ihm sein zuhöchst illegales, verbrecherisch selbstsüchtiges Versteck vorwarf? War endlich der Untergang gekommen? Nein. Nein. Sie konnten nicht dahintergekommen sein. Es war ausgeschlossen. Er hatte alles geregelt.
    Aber sie mußten sein Geheimnis entdeckt haben, meldete sich der Gedanke sofort wieder. Weshalb sonst sollte Koll ihn so
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