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Zeitspringer

Zeitspringer

Titel: Zeitspringer
Autoren: Robert Silverberg
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Er kann nichts tun.«
    »Er will nicht, meinst du?«
    »Er kann nicht. Für wen hältst du ihn? Für Danton? Und würdest du mir, bitte, aus dem Weg gehen? Ich muß duschen.«
    »Wenigstens hast du bitte gesagt«, murrte Pomrath. »Ich bin ja schon für Kleinigkeiten dankbar.«
    Er trat zur Seite. Aus einem Überrest von Züchtigkeit heraus schaute er nicht zu, als seine Frau ihre grüne Tunika auszog. Sie knüllte das Kleidungsstück zusammen, warf es auf die Seite und trat unter das Molekularbad. Da sie ihm den Rücken zudrehte, während sie sich wusch, erlaubte er sich, sie zu beobachten. Züchtigkeit ist wichtig, dachte Pomrath. Selbst wenn man schon elf Jahre verheiratet ist, muß man der anderen Person in diesem stinkenden Ein-Zimmer-Leben etwas Privatraum gewähren. Sonst klickern deine Gyros. Er kaute an einem Fingernagel und warf verstohlene Blicke auf die mageren Gesäßbacken seiner Frau.
    Die Luft in der Wohnung der Pomraths war schlecht, aber er wagte den Sauerstoff nicht weiter aufzudrehen. Er hatte die Ration für diese Woche verbraucht, und wenn er den Schieber betätigte, würde der Versorgungscomputer irgendwo unter der Erde Unerfreuliches mitzuteilen haben. Pomrath war nicht der Meinung, daß seine Nerven jetzt viel Geseires von einem Versorgungscomputer würden ertragen können. Seine Nerven hielten überhaupt nicht viel aus. Er war Stufe Vierzehn, an sich schon schlimm genug, hatte seit drei Monaten keine Arbeit mehr gefunden, was noch schlimmer war, und besaß einen Schwager in Stufe Sieben, was ihn zutiefst traf. Aber was nützte ihm Joe Quellen? Der verdammte Kerl war nie da. Entzog sich einfach seiner familiären Verantwortung.
    Helaine beendete ihr Duschen. Das Molekularbad verwendete kein Wasser; nur Stufe Zehn und darüber durften Wasser zum Zweck der Körperreinigung benutzen. Da die meisten Menschen auf der Welt Stufe Elf und tiefer waren, hätte der Planet ohne die praktischen Molekularbäder zum Himmel gestunken. Man zog sich aus, stellte sich vor die Düse, und Ultraschallwellen lösten raffiniert den Schmutz von der Haut und verliehen einem die Illusion, man sei sauber. Pomrath bemühte sich nicht, den Blick abzuwenden, als Helaines nackte weiße Gestalt an ihm vorbeiging. Sie schlüpfte in ihre Tunika. Er erinnerte sich, daß er sie einmal für üppig gehalten hatte. Da war er noch viel jünger gewesen. Später hatte er den Eindruck gehabt, daß sie Gewicht verlor. Jetzt war sie dünn. Es gab Zeiten – zumal nachts –, da kam sie ihm kaum noch weiblich vor.
    Er ließ sich in die Flechtschaum-Wiege an einer fensterlosen Wand sinken und sagte: »Wann kommen die Kinder heim?«
    »In fünfzehn Minuten. Deshalb habe ich jetzt geduscht. Bleibst du hier, Norm?«
    »Ich gehe in fünf Minuten.«
    »Zum Schnüffellokal?«
    Er starrte sie finster an. Sein Gesicht, vom Mißerfolg zerfurcht und gezeichnet, eignete sich gut zum Finsterblicken.
    »Nein«, sagte er, »nicht da hin. Zur Stellungsmaschine.«
    »Aber du weißt, die Stellungsmaschine setzt sich hier mit dir in Verbindung, wenn es Arbeit gibt, also –«
    »Ich will aber hingehen«, sagte Pomrath mit eisiger Würde.
    »Ich will nicht, daß sie zu mir kommt. Ich gehe zu ihr. Und dann höchstwahrscheinlich zum Schnüffellokal. Vielleicht, um zu feiern, vielleicht, um meinen Kummer zu betäuben.«
    »Ich wußte es.«
    »Verdammt, Helaine, warum läßt du mich nicht in Ruhe? Ist es meine Schuld, daß ich auf Arbeit warte? Ich kann mit vielen Fähigkeiten aufwarten. Ich sollte eigentlich Arbeit haben. Aber im Universum gibt es eine kosmische Ungerechtigkeit, die das nicht zuläßt.«
    Sie lachte rauh. Der rauhe Ton war neu, erst in den letzten Jahren aufgekommen.
    »Du hast in elf Jahren genau dreiundzwanzig Wochen Arbeit gehabt«, erklärte sie. »Während der übrigen Zeit haben wir Almosen kassiert. Du bist von Stufe Zwanzig zu Stufe Vierzehn aufgestiegen, und da klebst du fest, Jahr um Jahr, und wir kommen nicht weiter. Die Wände der verdammten Wohnung hier sind für mich wie ein Käfig, und wenn die beiden Kinder hier mit mir zusammen sind, möchte ich ihnen am liebsten die Köpfe abreißen, und –«
    »Helaine«, sagte er leise. »Hör auf.«
    Zu seiner großen Überraschung tat sie es. An ihrem Unterkiefer wölbte sich ein Muskel, als sie sich mitten im Proteststurm unterbrach. Viel ruhiger sagte sie: »Es tut mir leid, Norm. Du kannst nichts dafür, daß wir Proleten sind. Es gibt eben nur soundso viel Arbeit. Selbst mit deinen
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