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Zeitspringer

Zeitspringer

Titel: Zeitspringer
Autoren: Robert Silverberg
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Dachgeschoß des riesigen Wohngebäudes hinaufgejagt.
    Ich habe meine Entscheidungen aus eigenem freien Willen getroffen, sagte er sich störrisch. Ich habe die üppige Helaine Quellen geheiratet. Ich bekam meine zwei erlaubten Kinder. Ich habe mich für meinen Beruf entschieden. Und hier sitze ich in einem Raum für vier Personen, meine Frau ist mager, und ich sehe sie nicht an, wenn sie nackt ist, weil ich ihre Nerven schonen muß, und die Sauerstoffration ist verbraucht, und jetzt gehe ich hin und drücke die Stellungsmaschine und höre das alte, alte Lied, dann gebe ich im Schnüffellokal ein paar lausige Münzen aus, und –
    Pomrath fragte sich, was er wirklich tun würde, wenn irgendein Vertreter der Zeitsprung-Leute zu ihm käme und anböte, ihm eine Fahrkarte ins stillere Gestern zu verhökern. Würde er es Bud Wisnack nachmachen und die Gelegenheit beim Schopf ergreifen?
    Das ist doch Unsinn, sagte sich Pomrath. Eine solche Möglichkeit besteht nicht. Die Zeitspringer sind Einbildung. Betrug, begangen von der Hohen Regierung. Man kann nicht rückwärts durch die Zeit reisen. Alles, was man tun kann, ist, unerbittlich vorwärtszugehen, mit einer Geschwindigkeit von einer Sekunde pro Sekunde.
    Aber wenn das wirklich so ist, fragte sich Norman Pomrath, wo ist Bud Wisnack dann hingegangen?
    Als die Wohnungstür sich schloß und Helaine allein war, sank sie müde auf die Kante des Allzwecktisches mitten im Zimmer und biß heftig auf ihre Unterlippe, um die Tränen zurückzuhalten.
    Er hat mich nicht einmal wahrgenommen, dachte sie. Ich habe vor seinen Augen geduscht, und er hat mich nicht einmal wahrgenommen.
    Eigentlich war das gar nicht wahr, mußte Helaine zugeben.
    Sie hatte sein Spiegelbild in der kupfrigen Wandtafel beobachtet, die ihnen als Fensterersatz diente, und gesehen, wie er verstohlen auf ihren Körper geblickt hatte, während sie mit dem Rücken zu ihm unter der Dusche gewesen war. Und dann, als sie nackt durch das Zimmer gegangen war, um nach ihrer Tunika zu greifen, hatte er sie wieder angesehen, von vorn.
    Aber getan hatte er nichts. Das war das Entscheidende. Wenn er auch nur einen Funken sexuellen Gefühls für sie gespürt hätte, wäre das erkennbar gewesen. An einem Streicheln, einem Lächeln, dem hastigen Druck auf den Knopf, der das Klappbett aus der Wand gleiten ließ. Er hatte ihren Körper angesehen, und jede Wirkung war ausgeblieben. Darunter litt Helaine mehr als unter allem anderen.
    Sie war fast siebenunddreißig Jahre alt. Das war noch nicht wirklich alt. Sie hatte noch siebzig oder achtzig Jahre Lebensspanne vor sich, der Statistik nach. Trotzdem fühlte sie sich alt. Sie hatte in der letzten Zeit stark abgenommen, so daß ihre Hüftknochen wie verirrte Schulterblätter hinausragten. Sie trug ihre busenfreien Kleider nicht mehr. Sie wußte, daß sie ihrem Mann nicht mehr viel sinnlichen Anreiz bot, und das schmerzte sie.
    Entsprachen sie der Wahrheit, die Gerüchte, daß die Hohe Regierung spezielle Anti-Sex-Gesetze vorbereitete? Daß auf Anordnung Dantons die Männer Impotenzpillen und die Frauen Entsinnlicher bekamen? Das flüsterten die Frauen. Noelle Kalmuck behauptete, der Wäschereicomputer hätte ihr das gesagt. Man mußte glauben, was ein Computer einem sagte, nicht wahr? Mutmaßlich war die Maschine direkt an die Hohe Regierung angeschlossen.
    Aber es ergab keinen Sinn. Helaine war kein Genie, doch sie besaß gesunden Menschenverstand. Weshalb sollte die Hohe Regierung gegen den Sexualtrieb vorgehen wollen? Gewiß nicht als Mittel zur Geburtenkontrolle. Die Geburten wurden humaner im Zaum gehalten, durch Eingriff in die Fruchtbarkeit, nicht in die Potenz. Zwei Kinder pro verheiratetes Paar, aus. Wenn man nur eines zugelassen hätte, wäre man beim Bevölkerungsproblem vielleicht vorangekommen, aber leider gab es einflußreiche Interessenverbände, die auf der Zwei-Kinder-Familie bestanden, und sogar die Hohe Regierung hatte sich ihnen gebeugt. Die Bevölkerung blieb also stabil und ging sogar ein wenig zurück – wenn man die Junggesellen wie Helaines Bruder Joe und die Paare berücksichtigte, die sich zur Sterilisierung verpflichtet hatten, nebst anderen –, aber echte Fortschritte ließen sich nicht erzielen.
    Immerhin, da die Fruchtbarkeit unter Kontrolle war, erschien es unlogisch, wenn die Hohe Regierung auch noch den Sex wegnehmen wollte. Sex, das war der Sport der Proleten. Er kostete nichts. Man brauchte keine Arbeit zu haben, um den Sex zu genießen. Er
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