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Zeitspringer

Zeitspringer

Titel: Zeitspringer
Autoren: Robert Silverberg
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Fähigkeiten –«
    »Ja. Ich weiß.«
    »Es ist eben so. Ich wollte nicht kreischen, Norm. Ich liebe dich, weißt du das? Im Guten wie im Schlechten, wie es heißt.«
    »Sicher, Helaine. In Ordnung.«
    »Vielleicht gehe ich diesmal mit ins Schnüffellokal. Ich will nur die Kinder programmieren und –«
    Er schüttelte den Kopf. Es war sehr rührend, dieser plötzliche Anfall von Zuneigung, aber er sah Helaine in der Wohnung schon genug, Tag und Nacht. Er wollte nicht, daß sie auch noch mitging, wenn er sich seine armseligen Vergnügungen gönnte.
    »Diesmal nicht, Schätzchen«, sagte er hastig. »Vergiß nicht, ich muß vorher die Stellungsmaschine drücken. Bleib du lieber hier. Besuch Beth Wisnack oder sonst jemand.«
    »Ihr Mann ist immer noch fort.«
    »Wer? Wisnack? Haben sie ihn noch nicht aufgespürt?«
    »Sie glauben, er – er ist gesprungen. Ich meine, sie haben einen Televektor eingesetzt und alles«, sagte Helaine. »Keine Spur. Er ist wirklich fort.«
    »Du glaubst an diese Springer-Geschichte?« fragte Pomrath.
    »Natürlich.«
    »Zeitreisen? Das ergibt keinen Sinn. Ich meine, ideologisch gesehen, wenn du anfängst, das Universum auf den Kopf zu stellen, wenn du die Richtung veränderst, in der die Ereignisse ablaufen, Helaine, ich meine –«
    Ihre Augen waren sehr groß.
    »Die Fakbänder sagen, daß es so etwas gibt. Die Hohe Regierung untersucht es. Joes Abteilung. Norm, wie kannst du sagen, es gibt keine Zeitspringer, wenn jeden Tag Menschen verschwinden? Wenn Bud Wisnack von der nächsten Etage –«
    »Es gibt keinen Beweis, daß er das getan hat.«
    »Wo soll er dann sein?«
    »Vielleicht in der Antarktis. In Polen. Auf dem Mars. Ein Televektor kann versagen, wie alles andere auch. Ich kann das mit den Zeitreisen nicht schlucken, Helaine. Es hat keine Griffigkeit für mich, verstehst du? Es ist unwirklich, ein Hirngespinst, etwas aus dem Traum eines Schnüfflers.« Pomrath hustete. Er redete in der letzten Zeit sehr laut. Er dachte an Bud Wisnack, der klein und kahlköpfig war und ewig Bartschatten im Gesicht hatte und fragte sich, ob er wirklich über eine Zeithürde gesprungen und nach 1999 oder wohin auch sonst gegangen war.
    Die Pomraths sahen einander kurze Zeit in verlegenem Schweigen an, dann sagte Helaine: »Unterstell einmal etwas, Norm. Wenn du jetzt hinausgingst und einer käme auf dich zu und sagte, er betreibe das Springerunternehmen und ob du in der Zeit zurückgehen und alles hinter dir lassen wolltest, was würdest du ihm sagen?«
    Pomrath dachte nach.
    »Ich würde nein sagen. Ich meine, wäre es ehrenhaft, Frau und Familie im Stich zu lassen? Ein Bud Wisnack kann das machen, aber ich würde es nicht fertigbringen, mich der ganzen Verantwortung zu entziehen, Helaine.«
    Ihre graublauen Augen funkelten. Sie zeigte ihr Mach-mir-nichts-vor-Lächeln.
    »Sehr edel gesprochen, Norm, aber ich glaube, du würdest trotzdem gehen.«
    »Du kannst denken, was du willst. Da das ohnehin alles nur Hirngespinste sind, spielt es auch gar keine Rolle. Ich sehe mir jetzt die Stellungsmaschine an. Ich gebe ihr einen richtigen Knuff. Wer weiß? Vielleicht werde ich auf einen Schlag zu Joe auf Stufe Sieben befördert.«
    »Vielleicht«, sagte Helaine. »Wann bist du wieder da?«
    »Später.«
    »Norm, bleib nicht zu lange im Schnüffellokal. Ich hasse es, wenn du dich mit dem Zeug antörnst.«
    »Ich bin die Massen«, sagte er. »Ich brauche mein Opium.«
    Er legte die Handfläche an die Tür. Sie glitt mit einem leisen Keckem zur Seite, und er trat hinaus. Die Flurlampe brannte schwächlich. Pomrath tastete sich fluchend zum Lift voran. In Häusern der Stufe Sieben war die Korridorbeleuchtung nicht so, das wußte er. Er hatte Joe Quellen besucht. Nicht oft freilich; sein Schwager ließ sich nicht viel mit den Proleten ein, selbst wenn es sich um seine eigenen Verwandten handelte. Aber Pomrath hatte es gesehen. Quellen hatte ein verdammt schönes Dasein. Und was war er schon? Was konnte er? Er war nichts als ein Bürokrat, ein Federfuchser. Alles, was Joe Quellen tun konnte, vermochte jeder Computer besser zu machen. Aber er hatte eine Stellung. Ein Amt.
    Mit düsterer Miene starrte Pomrath auf sein verzerrtes Spiegelbild im brünierten Rahmen des Liftovals. Er war ein untersetzter, breitschultriger Mann knapp über Vierzig mit buschigen Brauen und müden, traurigen Augen. Das Spiegelbild ließ ihn älter erscheinen, mit dickem Hals. Laß mir Zeit, dachte er. Er trat durch das Oval und wurde zum
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