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Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)

Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)

Titel: Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
Autoren: Cristin Terrill
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meine Hosentasche. Der Wachtposten – Connor? – ist schon weg, um Finns Zelle aufzuschließen. Ich gehe langsam auf meine Zellentür zu. Sie steht weit offen. Ich berühre den Türrahmen mit den Fingerspitzen und untersuche die Stelle, an der die Wände, mein Gefängnis für so lange Zeit, aufhören und ins Nichts stoßen. Ich mache versuchsweise einen Schritt durch die Tür, und eine alberne Sekunde lang glaube ich, dass ich anfangen muss zu weinen.
    Ich höre das Rasseln eines Schlüssels, der sich im Schloss dreht, und sehe zu, wie Connor versucht, Finns Zelle zu öffnen. Oh mein Gott. Die Erkenntnis trifft mich mit derselben Wucht wie diese gemeingefährliche Welle im Urlaub auf Kiawah Island, die mir die Luft aus den Lungen presste: Gleich werde ich Finn sehen.
    Connor bekommt endlich das Schloss auf und zieht an der Tür, und alles gerät ins Stocken, bis die Stille zwischen zwei Herzschlägen sich ausdehnt und ohrenbetäubend wird. Während ich auf unsere plötzliche Freiheit wie ein Tier reagiert habe, das die Welt außerhalb der Gitterstäbe vergessen hatte, fliegt Finn geradezu aus seiner Zelle, wie ein Vogel aus seinem Käfig. Ich habe kaum Zeit, ihn anzusehen, bevor er in einem Durcheinander aus Armen und Beinen gegen mich prallt und mich so fest hält, dass ich nicht atmen kann. Was mir aber herzlich egal ist.
    »Oh mein Gott«, sagt er wieder und wieder. »Oh mein Gott.«
    »Lass mich dich anschauen.« Ich weiche zurück und lege die Hände an seine Wangen. Ich erforsche sein Gesicht. Blaue Augen, natürlich. Und wie konnte ich nur diesen Mund vergessen? Dünne, rosafarbene Lippen mit einem schiefen Mundwinkel, der immer an ein spöttisches Lächeln denken lässt. Mein Gott, warum habe ich vorher nie bemerkt, wie gut er aussieht? »Du brauchst einen Haarschnitt.«
    Er fährt mir mit dem Daumen über den Wangenknochen. »Du bist so schön.«
    Ich habe seit Jahren Angst. Immer auf der Flucht, getrennt von allen, die ich liebe, gefoltert und verhört und stets den Tod vor Augen. Aber ich schwöre, ich hatte noch nie solche Angst wie jetzt, da Finn sich vorbeugt und mich zum allerersten Mal küsst.
    Er presst seine Lippen so sanft auf meine, dass ich glaube, er fürchtet, all dies sei ein Traum, der sich an der schönsten Stelle einfach in Luft auflöst. Seine Hände drücken sich fester in meinen Rücken, er zieht mich ganz nah an sich heran, und eine Sekunde lang ist all meine Angst wie weggeblasen.
    »Es tut mir leid«, sagt Connor, »aber wir müssen weiter.«
    Finn wirft mir ein scheues Lächeln zu, als wir uns voneinander lösen, und Connor zieht im Losgehen die Pistole. Ich ergreife Finns Hand und verflechte meine Finger mit seinen. Jetzt, da er an meiner Seite ist, will ich ihn nicht wieder verlieren, nicht einmal eine Sekunde lang.
    Connor geht voran, wir folgen ihm auf den Fersen. Ich drehe fortwährend den Kopf, um alles um mich herum aufzunehmen. Es ist mein erster Blick auf mein Gefängnis, seitdem sie uns vor wie vielen Monaten auch immer hier eingesperrt haben, und damals war ich nicht in der Verfassung, die Umgebung zu beachten. Neben meiner und Finns Zelle liegen noch drei weitere – auch sie sind mit Betonwänden und Metalltüren ausgestattet, doch leer. Der Rest des Gangs scheint als Lager zu dienen. Das ist so trivial, dass ich schockiert und mehr als nur ein bisschen beleidigt bin. Es sieht so aus, als hätte der Doktor Finn und mich zusammen mit anderem alten Krempel weggeräumt – wie den Karton mit den Wintersachen, den man im Sommer in den Keller bringt und am Ende völlig vergisst.
    »Wo sind alle?«, flüstere ich, sobald wir die verschlossene Tür, die unseren Gang vom Rest des Gebäudes trennt, hinter uns gelassen haben. Bisher haben wir keinen einzigen Soldaten zu Gesicht bekommen.
    »Es ist mitten in der Nacht. Minimalbesatzung«, antwortet Connor über die Schulter zurück. »Und ich hab Drogen in die Kaffeekanne im Pausenraum getan.«
    »Weißt du«, sage ich, »ich fange wirklich an, dich zu mögen.«
    »Warte damit, bis wir bei Cassandra sind.«
    Wir schleichen auf das Herz der Anlage zu, die, wie mir erst jetzt so richtig aufgeht, riesig ist. Connor muss darauf achten, dass seine Stiefel kein lautes Geräusch auf dem Betonboden machen, während Finn und ich lautlos in unseren dünnen Gefängnisslippern vorwärtstappen. Mein Atem geht mit jedem Schritt schwerer, in meiner Brust brennt es vor Anstrengung. Bis zu diesem Augenblick war mir nicht klar, welchen Tribut es
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