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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe
Autoren: Stephen Baxter
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Bolzen, von dem sich herausstellte, daß er eine Länge von genau einem Zoll aufwies und den ich daher nachfertigen mußte.
    Ich überlegte, daß ich zwei Jahrzehnte meines Lebens fast nur in diesem Raum verbracht hatte. Der Ort war ein ehemaliges Observatorium und hatte Zugang zu einem Garten. Das Laboratorium saß auf einem Gerüst aus schlanken, weiß angestrichenen Eisenstreben und hatte früher Aussicht auf den Fluß geboten; aber ich hatte schon vor langer Zeit die Fenster mit Brettern zugenagelt, um konstante Lichtverhältnisse zu haben und die neugierigen Blicke meiner Nachbarn fernzuhalten. Meine diversen Werkzeuge und Aggregate stachen trübe aus dieser öligen Dunkelheit hervor, und nun erinnerten sie mich an die großen Maschinen in den Kavernen der Morlocks. Ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht selbst eine morbide Ader der Morlocks in mir hatte! Wenn ich zurückkehrte, so schwor ich mir, würde ich die Bretter abreißen, die Fenster putzen und den Ort zu einer Stätte des Lichts der Eloi machen, statt eines Platzes der Düsternis der Morlock.
    Ich ging zur Zeitmaschine hinüber.
    Dieses klobige, windschiefe Gerät saß in der nordwestlichen Ecke des Laboratoriums – wo die Morlocks es bei ihren Bemühungen hingeschleppt hatten, mich im Podest der Weißen Sphinx einzuschließen. Ich zerrte die Maschine in die südwestliche Ecke des Laboratoriums zurück, wo ich sie gebaut hatte. Nach getaner Arbeit beugte ich mich nach vorn und machte im Zwielicht die vier chronometrischen
    Rundinstrumente aus, welche die Reisedauer der Zeitmaschine in Tagen zählten; jetzt standen die Zeiger natürlich alle auf Null, denn die Maschine befand sich ja wieder in ihrer Ausgangszeit. Neben dieser Uhrenreihe waren zwei Hebel, welche die Maschine aktivierten, einer für die Zukunft, der andere für die Vergangenheit.
    Ich streckte eine Hand aus und berührte aus einem Impuls heraus den Hebel für die Option ›Zukunft‹. Die klobige, aus einem Metall-und Elfenbeinkonglomerat bestehende Kiste erzitterte wie ein lebendiges Wesen. Ich lächelte. Die Maschine erinnerte mich daran, daß sie nicht mehr von dieser Welt, von dieser Raumzeit war! Von allen Objekten des Universums, abgesehen von denen, die ich am Leib getragen hatte, war diese Maschine das einzige, die acht Tage älter war als ihre Herkunftswelt: ich hatte nämlich eine Woche in der Epoche der Morlocks verbracht, war dann aber wieder in meine Ausgangszeit zurückgekehrt.
    Ich setzte den Rucksack und die Kamera auf dem Boden des Laboratoriums ab
    und hängte den Hut an den Haken an der Tür. Eingedenk der Tatsache, daß die
    Morlocks an der Zeitmaschine herummanipuliert hatten, begab ich mich an eine Inspektion. Ich machte mir dabei nicht die Mühe, diverse braune Flecken sowie Gras-und Moosreste zu entfernen, die immer noch an den Kufen der Maschine
    klebten; bei mir muß nicht immer alles blitzeblank sein. Aber eine Kufe war ver-bogen, und das richtete ich. Dann überprüfte ich die Schrauben und ölte die Quarzstangen ein.
    Bei der Arbeit erinnerte ich mich an die peinliche Panik, mit der ich das Verschwinden der Zeitmaschine bemerkt hatte, und mich durchlief eine Woge immenser Zuneigung für das häßliche Gerät. Die Maschine war ein offener Käfig aus Nickel, Messing und Quarz, Ebenholz und Elfenbein; recht komplex – vergleichbar dem Werk einer Kirchturmuhr – und mit einem Fahrradsattel, der unmotiviert irgendwo in der Mitte der Anordnung saß. Der mit Plattnerit dotierte Rahmen aus Quarz und Felskristall glitzerte und verlieh dem Ganzen eine unwirkliche und verzerrte Aura.
    Natürlich wäre die Konstruktion dieser Zeitmaschine nicht möglich gewesen oh-ne die Eigenschaften der seltsamen Materie, die ich ›Plattnerit‹ genannt habe. Ich erinnerte mich daran, wie ich durch Zufall in den Besitz einer Probe dieses Materials gelangt war: in jener Nacht vor zwei Jahrzehnten, als ein Fremder die Treppe zu meiner Haustür hochkam und mir ein Paket mit dem Zeug überreichte. Er hatte sich selbst als ›Plattner‹ vorgestellt – ein massiger Kerl, einige Jahre älter als ich, mit einem komischen, breiten grauhaarigen Kopf, der in einem Tarnanzug steckte.
    Er wies mich an, das Wundermittel, das er mir gegeben hatte, in einem Reagenz-glas zu untersuchen. Nun, das Zeug hatte dann über ein Jahr unbeachtet im Laboratorium auf einem Regal gestanden, während ich mit wichtigeren Arbeiten befaßt war. Doch dann, an einem trüben Sonntagnachmittag, hatte ich das Glas
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