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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe
Autoren: Stephen Baxter
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vom Regal genommen...
    Und was dann dabei herauskam, war – dieses!
    Es war Plattnerit, in Quarzstäben eingeschlossen, das als Betriebsmittel für die Zeitmaschine diente und ihren Einsatz überhaupt erst ermöglichte. Aber ich will nicht verhehlen, daß es schon meiner Kombination von Analyse und Phantasie bedurfte, die Eigenschaften dieser bemerkenswerten Substanz zu erkennen und
    nutzbar zu machen, wo jemand mit geringerer Kompetenz vielleicht gescheitert wäre.
    Ich nahm mir vor, gleich nachdem ich mit Proben und Photographien zurückgekehrt war, meine Forschungsergebnisse an die Philosophical Transactions weiter-zuleiten; es würde einen würdigen Nachtrag zu den siebzehn Beiträgen darstellen, die ich bereits zur Physik des Lichts dort plaziert hatte. In Anbetracht der esoteri-schen Materie hatte ich Bedenken, meine Arbeit ohne experimentelle Verifikation zu veröffentlichen. Ich dachte mir, daß es sicherlich amüsant wäre, meinen Beitrag mit einem dezidiert trockenen Titel wie ›Einige Betrachtungen zu den Anomalen Chronologischen Eigenschaften des Minerals ,Plattnerit'‹ zu versehen und dann im nachfolgenden Inhalt die Bombe der Existenz der Zeitreise zu zünden!
    Schließlich hatte ich es geschafft. Ich stülpte mir wieder den Hut über den Kopf, hob den Rucksack und die Kamera auf und verstaute sie unter dem Sattel. Dann ging ich wie durch eine Eingebung zum Kamin des Laboratoriums und nahm den
    dort stehenden Schürhaken an mich. Ich wog seine beachtliche Masse in der Hand
    – vielleicht könnte er mir noch mal von Nutzen sein! – und klemmte ihn in den Rahmen der Maschine.
    Dann setzte ich mich auf den Sattel und legte die Hände auf die weißen Starthebel. Die Maschine erzitterte, wie ein Tier der Zeit, zu dem es geworden war.
    Ich schaute mich in meinem Laboratorium um, betrachtete seine irdische Realität und registrierte erstaunt, wie deplaziert wir beide hier jetzt wirkten – ich in meiner Outdoor-Kluft, und die Maschine mit ihrer Strangeness und den Flecken und Kratzern aus der Zukunft – obwohl wir dennoch irgendwie Kinder dieses Ortes waren.
    Ich war versucht, die Sache zu verschieben. Was könnte es schon schaden, noch einen Tag, eine Woche, ein Jahr hier zu verbringen, eingebettet in meinem eigenen, gemütlichen Jahrhundert? Ich konnte neue Energien tanken und meine Wunden
    heilen: stürzte ich mich schon wieder übereilt in dieses neue Abenteuer?
    Ich hörte Schritte auf dem Korridor vom Haus, und eine Hand legte sich auf die Türklinke. Es mußte der Schriftsteller sein, der ins Laboratorium wollte.
    Urplötzlich war die Sache klar. Mein Mut würde durchaus nicht zunehmen, wenn ich mich noch länger in dieser düsteren, muffigen Zeit des neunzehnten Jahrhunderts aufhielt; und außerdem hatte ich mich schon von jedem verabschiedet, der mir am Herzen lag.
    Ich schob den Hebel bis zum Anschlag vor. Ich hatte dieses seltsame, statische Gefühl der Rotation, das sich am Anfang einer Zeitreise immer einstellt und das dann noch durch dieses hilflose Gefühl des Kopfüberfallens ergänzt wird. Ich glaube, daß ich bei der Wiederkehr dieser unangenehmen Wahrnehmung einen
    Schrei ausgestoßen habe. Ich meinte, das Klirren von Glas zu hören: eine Fensterscheibe vielleicht, die durch das entstehende Vakuum eingedrückt wurde. Und für einen Sekundenbruchteil sah ich ihn auf dem Flur stehen: den Schriftsteller, eine geisterhafte, verschwommene Gestalt, mit einer auf mich zeigenden Hand – gefangen in der Zeit!
    Dann war er verschwunden, durch meinen Abflug in die Unsichtbarkeit gestürzt.
    Die Wände des Laboratoriums verschwammen um mich herum, und erneut umfin—
    gen mich die großen Schwingen von Tag und Nacht.
    E R S T E S B U C H
    DUNKLE NACHT

Zeitreise
    Es gibt drei Dimensionen des Raumes, in denen man sich frei bewegen kann. Und die Zeit ist einfach eine Vierte Dimension: in jeder wichtigen Hinsicht identisch mit den anderen drei, bis auf die Tatsache, daß unser Bewußtsein dazu gezwungen ist, sich stetig in ihr weiterzubewegen, wie mein Stift über diese Seite.
    Wenn man nur – so hatte ich bei meinen Studien zu den besonderen Eigenschaften des Lichts spekuliert – wenn man nur die vier Dimensionen von Raum und Zeit anders konfigurieren könnte – z. B. Länge durch Zeit ersetzen – dann könnte man so leicht durch die Korridore der Geschichte streifen wie mit einem Taxi in der Stadt herumfahren!
    Das im Material der Zeitmaschine eingelagerte Plattnerit war der Schlüssel zu
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