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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe
Autoren: Stephen Baxter
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treuen alten Hausschuhe, die ich gedankenlos in die Zukunft mitgenommen hatte, bevor ich sie einem unvorstellbaren Schicksal überließ! – und dort, auf dem Teppich, lagen die schmutzigen, blutbefleckten Überreste meiner Socken.
    Irgendwie waren es diese Socken – diese komischen, löchrigen alten Socken! –
    deren unästhetische Existenz mich davon überzeugte, daß ich noch nicht verrückt war, daß mein Flug in die Zukunft nicht nur ein Traum gewesen war.
    Ich erkannte, daß ich wieder in die Zeit zurück mußte; ich mußte Beweismaterial dafür sammeln, daß mein Ausflug in die Zukunft genauso real gewesen war wie
    das Richmond des Jahres 1891, um sowohl meinen Freundeskreis als auch meine
    Wissenschaftlerkollegen zu überzeugen – und die letzten Spuren des Selbstzweifels zu beseitigen. Als ich diesen Entschluß faßte, sah ich plötzlich das liebliche, leere Gesicht von Weena, so lebendig, als ob sie direkt vor mir gestanden hätte.
    Traurigkeit und eine Woge des Schuldgefühls wegen meiner Unüberlegtheit fuhren durch mein Herz. Weena, die Kindfrau der Eloi, war mir zum Grünen Porzellanpalast gefolgt, durch die Tiefen des sich wieder ausbreitenden Waldes dieses weit in der Zukunft liegenden Themse-Tals, und galt seit der Verwirrung durch das anschließende Feuer und die hinterhältigen Angriffe der Morlocks als vermißt. Ich bin schon immer jemand gewesen, der erst handelt und dann den Verstand zu-schaltet! In meiner Junggesellenzeit hatte diese Neigung niemanden in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht, außer mich selbst – aber jetzt, in meiner gedankenlosen und überstürzten Hetzjagd, hatte ich die arme und mir vertrauende Weena einem gräßlichen Tod in den Schatten jener dunklen Nacht der Morlocks überantwortet.
    Es klebte Blut an meinen Händen, und nicht nur der Lebenssaft dieser verrotteten, degenerierten Untermenschen, der Morlocks.
    Ich war entschlossen, auf jede mir nur mögliche Art Wiedergutmachung zu leisten für die verabscheuungswürdige Behandlung der armen, auf mich vertrauenden Weena. Ich war voller Entschlossenheit. Meine Abenteuer, körperlich und intellektuell, waren noch nicht vorbei!
    Ich veranlaßte Mrs. Watchets, mir ein Bad einzulassen, und kletterte in die Wanne.
    Trotz meiner inneren Unruhe nahm ich mir die Zeit, mich um meine armen, zer—
    schlagenen Knochen zu kümmern; mit Interesse registrierte ich die Blasen und Narben an den Füßen sowie die leichten Verbrennungen, die ich mir an den Händen zugezogen hatte.
    Ich kleidete mich schnell an. Mrs. Watchets bereitete mir ein Frühstück. Bei den Eiern, Pilzen und Tomaten langte ich kräftig zu, aber den Schinken und die Würstchen bekam ich kaum hinunter; als ich in das dicke Fleisch biß, ließ sein salziger und öliger Saft eine leichte Übelkeit in mir aufkommen.
    Ich mußte an die Morlocks denken und an das Fleisch, dessen Verzehr ich bei ihren widerwärtigen Mahlzeiten beobachtet hatte! Wie ich mich erinnerte, hatten diese Erfahrungen beim letzten Abendessen meinen Appetit auf Schaffleisch nicht beeinträchtigen können, aber da war mein Hunger auch viel größer gewesen.
    Konnte es sein, daß ein gewisser Schock und ein Unbehagen, das aus meinen uner-freulichen Erlebnissen herrührte, auch jetzt noch mein Bewußtsein beeinflußte?
    Aber bei mir geht es nicht ohne ein handfestes Frühstück ab; ich glaube nämlich, daß eine ordentliche Dosis Pepton am Morgen in den Arterien sehr wichtig ist für das effiziente Funktionieren der menschlichen Maschinerie mit ihrem hohen Ener-gieumsatz. Und heute könnte ein so anstrengender Tag wie noch kaum in meinem Leben werden. Deshalb schob ich mein Unbehagen beiseite und putzte die Platte, wobei ich mich resolut durch den Schinken kaute.
    Nach dem Frühstück hüllte ich mich in einen leichten, aber praktischen Som—
    meranzug. Wie ich meinen Kollegen beim letzten Abendessen wohl erzählt hatte, war mir bei dem Sturz durch die Zeit aufgefallen, daß es in der Welt des Jahres 802701 keinen Winter mehr gab – ob aufgrund der natürlichen Evolution, geogoni-scher Planung oder Eingriffe in die Sonne selbst, konnte ich nicht sagen –, und so brauchte ich auch keinen Wintermantel oder Schal. Ich setzte einen Hut auf, um die Sonne von meinem blassen englischen Teint fernzuhalten und kramte meine
    robustesten Wanderstiefel hervor.
    Ich nahm einen kleinen Rucksack und machte mich an eine Hausbegehung, wobei ich Schränke und Schubladen nach Utensilien durchsuchte, die ich für meine
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