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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft
Autoren: Gregory Benford
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ging durchs Haus und betrachtete die Fenster. Sie wären so leicht aufzubrechen. Sie fühlte sich verwundbar, in ihrem eigenen Haus gefangen. Ihr Atem ging schnell und flach, sie verspürte einen Brechreiz. Draußen schrie der Mann immer noch, seine Sprache wurde immer obszöner.
    Das Telefon stand auf dem Tisch in der Diele. Sie nahm den Hörer und hielt ihn ans Ohr. Nichts. Sie drückte die Gabel ein paarmal. Nichts. Verdammt, verdammt, verdammt. Ausgerechnet jetzt! Es geschah natürlich öfter, daß das Telefon nicht funktionierte. Aber bitte nicht jetzt, betete sie stumm. Sie rüttelte das Telefon. Immer noch Stille. Sie war völlig abgeschnitten. Was, wenn der Mann einbricht? In Gedanken prüfte sie mögliche Waffen, den Schürhaken, die Küchenmesser – o Gott, nein, nicht mit Gewalttätigkeiten beginnen; sie waren zu zweit, und der Mann sah nach einem üblen Burschen aus. Nein, sie würde das Haus auf der Rückseite verlassen. Durch die Terrassentür im Wohnraum. Und dann ins Dorf rennen und Hilfe holen.
    Sie hörte ihn nicht mehr schreien, fürchtete aber, sich am Fenster zu zeigen, um zu sehen, ob er noch da war. Sie versuchte es noch einmal mit dem Telefon. Immer noch nichts. Sie knallte den Hörer auf die Gabel. Jetzt konzentrierte sie ihre Aufmerksamkeit auf Türen und Fenster und lauschte nach Geräuschen eines gewaltsamen Einbruchs. Da klopfte es erneut an der Haustür. Sie war erleichtert zu wissen, daß der Mann noch draußen war. Die Hand um die Tischkante gepreßt, stand sie abwartend in der Diele. Verschwinde, befahl sie ihm stumm. Wieder klopfte es. Nach einer Pause knirschende Fußgeräusche auf dem Kies. Ging er endlich? Dann klopfte es an der Küchentür. O Gott! Wie konnte sie ihn nur loswerden?
    »Marjorie! Wo bist du?« rief eine Stimme.
    Eine Woge der Erleichterung erfaßte sie, und sie war den Tränen nah. Sie war zu schwach, sich zu rühren.
    »Marjorie! Wo bist du?« Die Stimme entfernte sich. Sie nahm sich zusammen, ging zur Küchentür und öffnete sie.
    Ihre Freundin Heather war auf dem Weg zum Gartenschuppen.
    »Heather!« rief sie. »Hier bin ich.«
    Heather kam zurück. »Was ist denn los? Du siehst ja furchtbar aus«, sagte sie.
    Marjorie trat vor die Tür und blickte umher. »Ist er weg?« fragte sie. »Da war ein entsetzlicher Mann hier.«
    »So ein zerlumpter mit einer Frau und einem Kind? Sie gingen gerade, als ich kam. Was ist passiert?«
    »Er wollte sich etwas Milch borgen.« Sie begann hysterisch zu lachen. Es klang so alltäglich. »Dann wurde er grob und fing zu schreien an. Sie sind Squatter. Letzte Nacht in das leere Farmhaus unten an der Straße eingezogen.« Sie sank in einen Küchenstuhl. »Mein Gott, hatte ich eine Angst, Heather.«
    »Das glaube ich dir. Du wirkst ziemlich aufgelöst. Sieht dir gar nicht ähnlich, Marjorie. Ich dachte, du kämst mit allem zurecht, selbst mit wilden, gefährlichen Squattern.« Sie sprach in scherzendem Tonfall, und Marjorie reagierte darauf.
    »Natürlich, das könnte ich auch. Wäre er eingebrochen, hätte ich ihm eine mit dem Schürhaken übergebraten und ihn dann mit einem Küchenmesser niedergestochen.«
    Sie lachte, aber es war nicht komisch. Hatte sie tatsächlich daran gedacht, das zu tun?

 
– 3 –
Herbst 1962
     
     
    Ich muß einen Weg finden, die verflixten Störeinflüsse in dem Experiment auszuschalten, dachte Gordon mürrisch, während er seine abgegriffene Aktentasche nahm. Die verflixten Störungen gingen einfach nicht weg. Wenn er die Ursache nicht finden und korrigieren konnte, würde das ganze Experiment eine Pleite werden.
    Die Palme ließ ihn noch jedesmal stehenbleiben. Jeden Morgen, nachdem Gordon Bernstein die gelbe Haustür des Bungalows ein wenig zu laut zugeschlagen hatte, wandte er sich um, schaute auf die Palme und blieb stehen. Die Pause war ein Moment der Bestätigung. Er war wirklich hier, in Kalifornien. Keine Filmkulisse, sondern ganz real. Die Silhouette der Palme warf sprießende Wedel in einen wolkenlosen Himmel, ein Bild stummer Exotik. Diese alltägliche Pflanze war weitaus beeindruckender als die seltsam leeren Schnellstraßen oder das unverändert milde Klima.
    Abends saßen Gordon und Penny meist zusammen, lasen und hörten Folk-Platten. Es war genauso wie während seiner Jahre in Columbia. Er pflegte die gleichen Gewohnheiten und vergaß beinahe, daß sich nur ein paar Häuser weiter die Brandung am Wind ’n Sea-Strand brach. Wenn er die Fenster offen ließ, schien das Grollen der
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