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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft
Autoren: Gregory Benford
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zurückgelegt, und versuchte den Eindruck zu erzeugen, die Situation unter Kontrolle zu haben. Der Mann trat neben die Frau. Marjories Nasenlöcher weiteten sich unmerklich, als sie den herben Geruch von Schweiß und Rauch aufnahm. Er trug eine Mischung von Kleidungsstücken, die aus vielen verschiedenen Quellen stammen mußten; eine Stoffmütze, einen langen gestreiften Collegeschal, Wollhandschuhe mit aufgetrennten Fingern, ein Paar blaugemusterte Espadrillen, bei denen eine Sohle sich schon löste, Hosen, die einige Zentimeter zu kurz und zu weit waren, und obendrein eine üppig bestickte Weste unter einer verschmutzten alten Vinyljacke. Er war wahrscheinlich in Marjories Alter, sah aber zehn Jahre älter aus. Sein Gesicht war ledrig, seine Augen waren tief eingesunken, und mehrere Tage alte Bartstoppeln bedeckten sein Kinn. Sie war sich des Kontrasts bewußt, den sie zu den beiden bildete: rosig und wohlgenährt, das kurze Haar vom Waschen weich, ihre Haut von Cremes und Lotions gepflegt, bekleidet mit, wie sie es nannte, »alten« Gartensachen: einem flauschigen blauen Wollrock, einem selbstgestrickten Sweater und einer Lammfelljacke.
    »Erwarten Sie etwa, daß wir Ihnen abnehmen, daß Sie keine Milch im Haus haben?« knurrte der Mann.
    »Das habe ich nicht gesagt.« Marjorie sprach gepreßt. »Ich habe genug für mich und meine Familie, aber nicht mehr. Da unten sind genug andere Häuser, in denen Sie es versuchen können, aber ich würde vorschlagen, Sie gehen ins Dorf und kaufen Milch. Es ist nur eine halbe Meile. Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann.«
    »Nichts tut Ihnen leid! Sie wollen einfach nicht helfen. Hochnäsig wie alle reichen Typen. Sie wollen alles für sich behalten. Sehen Sie nur, was Sie da haben – ein großes, schönes Haus nur für sich allein, schätze ich. Sie wissen nicht, wie hart das Leben für uns ist. Vier Jahre habe ich keinen Job gehabt und keine Wohnung, aber Sie haben es bequem…«
    »Rog!« sagte die Frau warnend. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. Er schüttelte sie ab und machte einen Schritt auf Marjorie zu. Sie blieb stehen, Wut stieg in ihr auf. Welches Recht, zum Teufel, hatten sie, hierherzukommen und sie in ihrem eigenen Garten anzuschreien?
    »Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich nur genug für meine Familie habe. Für jeden ist es eine schwere Zeit«, sagte sie kühl. Aber ich würde nie betteln gehen, dachte sie. Kein moralisches Rückgrat, diese Leute.
    Der Mann kam näher. Instinktiv ging sie zurück und wahrte den Abstand zwischen sich und ihm.
    »Für jeden eine schwere Zeit«, äffte er sie nach. »Schlimm, nich’ wahr? Schlimm für jeden, solange man ein hübsches Haus hat und genug zu essen und vielleicht ein Auto und einen Fernseher.« Seine Augen wanderten über das Haus, nahmen die Garage, die Fernsehantenne auf dem Dach und die Fenster auf. Gott sei Dank waren die Fenster verschlossen, dachte sie, und die Haustür auch.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen. Würden Sie jetzt bitte gehen.« Sie drehte sich um und wollte wieder ums Haus herumgehen. Der Mann hielt Schritt mit ihr, stumm folgten ihm die Frau und das Kind.
    »O ja, so ist es richtig. Drehen Sie uns nur den Rücken zu, und gehen in Ihr großes Haus. So leicht werden Sie uns nicht los. Der Tag wird kommen, an dem Ihr alle von eurem verdammten hohen…«
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn…«
    »Es reicht, Rog!«
    »Eure Zeit ist abgelaufen. Es wird eine Revolution geben, und dann bettelt ihr um Hilfe. Und glauben Sie etwa, Sie kriegen sie? Nicht ein bißchen!«
    Marjorie beschleunigte ihren Schritt und versuchte, ihn abzuschütteln, bevor sie die Küchentür erreichte. Sie tastete in ihrer Tasche nach dem Schlüssel, als er von hinten an sie herantrat. Aus Angst, er könnte sie berühren, wirbelte sie herum.
    »Raus hier! Gehen Sie! Belästigen Sie mich nicht. Gehen Sie zu den Behörden. Verlassen Sie mein Grundstück!«
    Der Mann trat einen Schritt zurück. Sie packte den Eimer mit Hühnerfutter – es sollte nichts draußen bleiben, was er vielleicht stehlen könnte. Leicht drehte sich der Schlüssel im Schloß, Gott sei Dank, und sie schlug die Tür zu, als er gerade die Stufen hinaufkam. Im Nu hatte sie den Riegel vorgeschoben. Er schrie durch die Tür: »Du verdammte, eingebildete Nutte! Dir ist es scheißegal, ob wir verhungern, nicht wahr?«
    Marjorie begann am ganzen Körper zu zittern, doch sie schrie zurück: »Ich rufe die Polizei, wenn Sie nicht sofort verschwinden.«
    Sie
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