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Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit
Autoren: Philip K. Dick
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immer bearbeitet wurde.
»Tja«, sagte Lowery, »das wird sich zeigen. Aber das ist diejenige, die Sie als erste Einsendung gedacht haben. Ihre vorrangige Lösung.«
»Ja«, sagte er. Das war die geheime Absprache zwischen ihm und der Gegenseite; er durfte für das Rätsel eines jeden Tages mehr als eine Lösung einsenden. Man erlaubte ihm bis zu zehn, unter der Voraussetzung, daß sie in der Reihenfolge der Bevorzugung numeriert waren. Wenn die erste Lösung unzutreffend war, wurde sie vernichtet – so, als wäre sie nie eingegangen –, und man befaßte sich mit der zweiten und so weiter bis zur letzten. Gewöhnlich war er seiner Sache so sicher, daß er seine Einsendungen auf drei oder vier beschränkte. Je weniger es waren, desto lieber sahen das die Leute natürlich. Seines Wissens besaß außer ihm niemand dieses Vorrecht. Es diente dem einzigen Zweck, ihn im Wettbewerb zu halten.
Man hatte das vorgeschlagen, nachdem er die richtige Lösung nur um wenige Quadrate verfehlt hatte. Seine Lösungen lagen meist in angrenzenden Quadraten, aber gelegentlich konnte er sich zwischen weit auseinanderliegenden Quadraten auf dem Teilnahmeschein nicht entscheiden. In diesen Fällen ging er ein Risiko ein; seine Intuition war nicht stark. Aber wenn er glaubte, die Lösung liege innerhalb eines eng umgrenzten Gebietes, war er abgesichert. Die eine oder andere Lösung war richtig. In den zweieinhalb Jahren seiner Teilnahme war es achtmal schiefgegangen. An diesen Tagen war keine seiner Lösungen richtig gewesen. Die Gegenseite hatte ihm jedoch erlaubt weiterzumachen. In den Regeln gab es eine Klausel, die gestattete, daß er auf frühere richtige Lösungen hin ›borgte‹. Für jeweils dreißig richtige Lösungen durfte er sich einen Fehler leisten. So ging das. Durch das Ausnützen von Lücken war er im Wettbewerb geblieben. Niemand außerhalb des Wettbewerbs wußte, daß er je die Lösung verfehlt hatte; es war sein Geheimnis und das der Gegenseite. Und beide hatten keinerlei Anlaß, das an die Öffentlichkeit zu tragen.
Offenkundig war er vom Standpunkt der Publizität aus wertvoll geworden. Weshalb die Öffentlichkeit wünschen soll, daß dieselbe Person immer und immer wieder gewann, wußte er nicht. Wenn er gewann, schlug er offensichtlich andere Bewerber aus dem Feld. Aber so reagierte das Publikum eben. Man kannte seinen Namen. Die Theorie ging, so, wie man ihm das erklärt hatte, davon aus, daß das Publikum einen Namen immer wieder sehen wollte. Man sperrte sich gegen Veränderungen. Das Gesetz der Trägheit spielte mit; solange er draußen stand, wünschte ihn die Öffentlichkeit – ihn und alle anderen – draußen; sobald er eingestiegen war, sollte das so bleiben. Die Kraft der Beharrung arbeitete für ihn. Die starken reaktionären Einflüsse wirkten zu seinen Gunsten, nicht gegen ihn. ›Mit der Strömung schwimmen‹, wie Bill Black das nannte.
Lowery hatte die Beine übereinandergeschlagen, rauchte und blinzelte.
»Haben Sie sich die heutige Aufgabe angesehen?« fragte er.
»Nein. Nur die Hinweise. Bedeuten sie etwas?«
»Nicht buchstäblich.«
»Das weiß ich. Ich meine, bedeuten sie überhaupt irgend etwas, in irgendeiner Art, Gestalt oder Form? Oder soll uns das nur davon überzeugen, daß ganz oben jemand die Lösung kennt?«
»Was heißt das?« fragte Lowery mit einer Spur von Gereiztheit.
»Ich habe eine Theorie«, sagte Ragle. »Keine sehr ernsthafte, aber es macht Spaß, damit zu spielen. Vielleicht gibt es gar keine richtige Lösung.«
Lowery zog eine Braue hoch.
»Auf welcher Grundlage erklären wir dann eine Lösung für richtig und alle anderen für falsch?«
»Vielleicht sehen Sie sich die Einsendungen an und entscheiden danach, welche Ihnen am besten gefällt. Ästhetisch.«
»Sie projizieren Ihre Methode auf uns«, sagte Lowery.
»Meine Methode?« fragte er verwirrt.
»Ja. Sie gehen von einem ästhetischen, nicht von einem rationalen Standpunkt aus. Die Sucher, die Sie konstruiert haben. Sie betrachten ein Muster im Raum, ein Muster in der Zeit. Sie versuchen aufzufüllen, das Muster zu vollenden. Vorauszuahnen, wohin es sich entwickelt. Das ist nicht rational, nicht ein intellektuelles Vorgehen. Das ist – nun, so arbeiten Töpfer. Ich mißbillige nichts. Wie Sie das anstellen, ist Ihre Sache. Aber Sie erarbeiten das nicht; ich bezweifle, ob Sie je den Inhalt der Hinweise gelöst haben, sonst hätten Sie vorhin gar nicht gefragt.«
Nein, dachte er. Ich habe die Hinweise nie gelöst. Er war
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