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Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)

Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Autoren: Eva Völler
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das übelste Viertel der Stadt. Jack the Ripper hatte dort Ende des 19. Jahrhunderts sein Unwesen getrieben, und die Ärmsten der Armen hausten hier in Elendsquartieren.
    Wir mussten langsamer fahren, weil die Straßen deutlich schlechter wurden. Überall gab es Schlaglöcher, und an manchen Stellen fehlte die Pflasterung ganz. Die Häuser waren windschief und heruntergekommen, und an einigen Ecken lauerten zweifelhafte Gestalten – von denen aber bestimmt niemand wagen würde, uns mit bösen Absichten anzuhalten. Sebastiano hatte sich nämlich nach dem letzten Stopp neben José auf den Kutschbock gesetzt und seinen Waffengurt angelegt, an dem gut sichtbar eine tödlich aussehende Pistole und ein Degen hingen.
    Mir machte es immer ein bisschen Angst, wenn er sich dieses ganze gefährliche Zeug umhängte, aber gleichzeitig war es auch irgendwie beruhigend, denn ich wusste, dass es uns im Ernstfall das Leben retten konnte. Ein paarmal hatte Sebastiano seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet schon unter Beweis stellen müssen, auch wenn er die Waffen normalerweise bloß wegen des Abschreckungseffekts trug.
    Schließlich hielt die Kutsche an. Der schwankende Lichtschein der Wagenlaterne fiel auf eine kleine Kirche. Sebastiano öffnete mir die Tür und half mir beim Aussteigen, dann folgten wir José, der einen Schlüssel zückte und eine versteckt liegende Seitentür der Kirche aufsperrte. Es wunderte mich nicht, dass sich das Zeitfenster, das wir gleich benutzen würden, in einem Gotteshaus befand. In Venedig gab es auch so eins, in Santo Stefano. Man konnte solche einfachen Fenster allerdings nur benutzen, wenn gerade niemand zuschaute – sobald sich Leute dort aufhielten, die nicht eingeweiht waren, funktionierte es nicht. Deshalb befanden sich diese Durchgänge oft an abgelegenen Orten, entweder außerhalb der Stadt oder eben auch in Kirchen. Denn wenn dort gerade kein Gottesdienst stattfand, waren sie meist menschenleer – bis auf den einen oder anderen Priester, aber José hatte so seine Methoden, deren plötzliches Auftauchen zu verhindern, beispielsweise mit einer großzügigen Spende für die Kollekte.
    Es roch nach Weihrauch und feuchtem, altem Gemäuer. Der Fußboden war mit groben Marmorplatten ausgelegt, und als Sitzgelegenheiten gab es ein paar wurmstichige Bänke. In den Nischen der Seitenaltäre standen einige unheimlich aussehende Sarkophage, eingerahmt von rußgeschwärzten Kerzen, die jetzt allerdings nicht brannten. Unsere einzige Lichtquelle war die Wagenlaterne, die José mitgenommen hatte.
    José umrundete eine Säule, setzte sich auf eine Bank und blickte mit düsterer Miene zum Hauptaltar, über dem eine lebensgroße hölzerne Christusfigur am Kreuz hing und mit weit aufgerissenen Augen zurückstarrte. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, weil es so unheimlich aussah. Meinetwegen konnten wir sofort von hier verschwinden.
    »Wieso setzt du dich?« Sebastiano war José gefolgt und blickte ihn fragend an. »Worauf warten wir?«
    »Auf den Boten. Jeremy. Ich habe ihn herbestellt.«
    »Den rothaarigen Jungen? Was soll er hier? Die Kutsche und das Gespann holen?«
    »Nein, er soll darauf aufpassen, bis ich wieder da bin.«
    »Du willst noch mal in dieses Jahr zurück?«
    »Ja. Ich hab hier noch ein paar Dinge zu erledigen.«
    Ein ungutes Gefühl beschlich mich bei Josés Worten. Ich war davon ausgegangen, dass er in unserer eigenen Zeit mit uns nach Venedig zurückfliegen würde, schließlich arbeitete er dort. Er war Leiter des historischen Archivs an der Uni, und abgesehen von gelegentlichen Abstechern in vergangene Epochen war da sein fester Standort. Normalerweise fanden unsere Einsätze als Zeitwächter alle in Venedig statt, außer wenn irgendwo anders eine Vertretung übernommen werden musste – so wie jetzt gerade in London. Jedenfalls hatte José gesagt , es sei eine Vertretung.
    Sebastiano und ich wechselten Blicke. Etwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung. Erschöpft ließ ich mich ebenfalls auf eine Bank sinken.
    »Was genau hast du denn hier noch zu tun?«, fragte Sebastiano nach.
    José zuckte nur die Achseln. Das war typisch für ihn, bloß keinen Ton zu viel sagen. Obwohl ich ihn schon genauso lange kannte wie Sebastiano, wurde ich immer noch nicht richtig schlau aus ihm. Als einer der Alten war er mit Mächten im Bunde, über die Sebastiano und ich rein gar nichts wussten. Nicht mal genug, um Mutmaßungen anstellen zu können.
    Die Bezeichnung Alter orientierte sich
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