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Zeitenlos

Zeitenlos

Titel: Zeitenlos
Autoren: Shelena Shorts
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Wenn sie also wollte, dass ich mich mit ihr zum Lunch treffe und dieser Abstecher zum Campus für sie als Kontakt mit anderen Kids durchging, würde ich mich ganz bestimmt nicht beschweren. Tatsächlich freute ich mich sogar darauf.
    Ich merkte schnell, wie groß der Unterschied zwischen Campus und Highschool war. Wenn mir danach war, konnte ich auf dem Campus in Jogginghosen und einem nicht dazu passenden T-Shirt aufkreuzen, und nur meiner Mutter würde das auffallen. Das machte es mir leicht, meinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Also traf ich sie jeden Donnerstag, und sie war im Gegenzug damit einverstanden, dass ich weiterhin in meinem Zimmer zur Schule ging.
    Es war ein guter Deal, der so schnell zur Gewohnheit wurde, dass wir unsere wöchentliche Verabredung fast den ganzen Sommer hindurch einhielten. Die einzige Ausnahme waren die letzten drei Ferienwochen, als ich Kerry in Virginia besuchte. Weil Mama und ich noch nie so lange getrennt gewesen waren, benahm sie sich, als würde es sich um eine Ewigkeit handeln.
    Und kaum war ich wieder da, vergeudete sie keine Zeit, unsere Tradition wieder aufleben zu lassen. »Los, mach schon, Sophie«, drängte sie. »Komm am Donnerstag. Ohne dich schmeckt es nicht richtig.«
    Sie hätte gar nicht so dick auftragen müssen. Ich wäre auch so gekommen. Das Essen war nämlich viel besser als die Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade, die ich zu Hause meistens aß; und dass ich mein Abschlussjahr online absolvieren konnte, war es mehr als wert, mich eine Stunde lang von ihr ausfragen zu lassen. Daher war ich in der letzten Augustwoche auf dem Weg nach Berkeley, um unser gewohntes Treffen bereitwillig wieder aufzunehmen.
    Als ich ankam, herrschte auf dem Campus Hochbetrieb. Das Semester hatte bereits begonnen, und ich rechnete damit, dass es angesichts der vielen herumkreisenden Autos voller Studenten, die nicht zu spät kommen wollten, fast unmöglich sein würde, einen Parkplatz zu finden. Da ich es nicht eilig hatte, fuhr ich die Reihen meist geduldig ab, bis ich eine freie Lücke fand. Diesmal hatte ich Glück. Ich fand so schnell einen Parkplatz, dass ich tatsächlich noch vor Mama bei unserem bevorzugten Sandwichladen eintraf.
    Ich ging hinein und fand einen Tisch an einem der großen Glasfenster, die den Blick auf den Garten freigaben. Das Ambiente wirkte so gar nicht schulmäßig, doch dann bemerkte ich, dass die meisten Gäste unter einundzwanzig waren und wie Schüler Rucksäcke mit sich herumschleppten. Einige saßen lachend mit ihren Freunden zusammen. Andere aßen allein und lauschten ihrem iPod. Während ich wartete, versuchte ich, niemanden allzu offensichtlich anzustarren, aber ein Mädchen in der Ecke fiel mir auf. Ich beobachtete, wie sie einen Stapel Bücher aus ihrer Umhängetasche zog und darin blätterte. Ich überlegte, welche Kurse sie wohl belegt hatte, und dachte an meinen eigenen Stundenplan.
    Auf dem Lehrplan standen dieses Jahr Englische Literatur, Staats- und Wirtschaftswissenschaften, Algebra II , Naturwissenschaften, Physik und Fotografie. Ziemlich normal also, es hätte schlimmer kommen können. Ich mochte Englisch und Naturwissenschaften und war wegen des Fotokurses schon ganz aufgeregt. Staatswissenschaft würde auf der Liste meiner Lieblingsfächer ganz hinten stehen. Beim Gedanken an dieses Fach rümpfte ich die Nase. In dem Moment beugte sich meine Mutter zu mir herunter und küsste mich auf die Wange.
    »Hallo, Liebling, woran denkst du?«
    »Nur an meinen Stundenplan«, antwortete ich vage.
    Sie setzte sich mir gegenüber. »Aha. Bist du nervös?«
    »Wegen was?«
    »Na, wegen deines Abschlussjahres. Das letzte Jahr, bevor du endgültig erwachsen bist.«
    »Bitte, Mama. Fang bloß nicht jetzt schon damit an, dass du mich vermissen wirst.« In Erwartung des unvermeidlichen Gesprächs über meine Zukunft ließ ich die Schultern hängen. Ich wusste noch nicht so richtig, was ich machen wollte.
    »Ich sage doch gar nichts. Nur, dass es ein wichtiges Jahr für dich wird.«
    »Ich weiß.«
    Sie hielt kurz inne und beugte sich dann vor, als wollte sie mir ein Geheimnis verraten. »Ich bin kurz vor dem Verhungern und werde heute nichts mit dir teilen. Ich glaub, ich nehme diesen riesigen Geflügelsalat.«
    Ich war erleichtert, dass sie nicht darauf bestand, das Gespräch über meine etwas diffuse Zukunft weiterzuführen. »Klingt gut«, sagte ich und stand schnell auf, um unsere Bestellung aufzugeben. Normalerweise war das Anstehen in der
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