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Zeitenlos

Zeitenlos

Titel: Zeitenlos
Autoren: Shelena Shorts
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Kerls auf meinem Teller, komplett gebraten, schockierte mich. Meine Mutter lachte, aber ich fand das gar nicht witzig und würde auf keinen Fall etwas essen, was Augen hatte. Sie bot mir eilig an, meinen Fisch zu nehmen, und gab mir von ihrem Hummerschwanz ab, den ich mit meinen Pommes aß. Er war lecker, und ich war bald satt. Aber auch wieder nicht zu satt, um mir nicht noch den dreilagigen Schokoladenkuchen mit Vanilleeis vorzunehmen, der zu Hause auf uns wartete.
    Am nächsten Morgen war es offiziell. Mein Abschlussjahr hatte begonnen. Ich fuhr meinen Rechner hoch und loggte mich auf der Homepage der Schule ein. Alle meine Kurse waren im Hauptmenü gelistet. Ich klickte einen nach dem anderen an und druckte den Lehrplan sowie die Aufgabenlisten aus. Anschließend arbeitete ich mich bei jedem Kurs durch die Anforderungen des ersten Tags, die meistens darin bestanden, mich im Forum vorzustellen, und auf Einträge anderer Klassenkameraden zu antworten. Es war der Versuch, die Schüler zur Kommunikation untereinander zu animieren. In einer normalen Schule würde der Lehrer irgendeinen Schüler nach vorn holen, der etwas über sich und seine Hobbys erzählen sollte; danach müsste ein anderer, ebenso zufällig ausgewählter Schüler auf diese Vorstellung eingehen.
    Es war absolut blödsinnig, aber online kamen Lehrer damit durch, weil der Peinlichkeitsfaktor durch die Anonymität nicht ganz so hoch war. Wir hatten Glück, dass keiner von uns vor der Klasse stehen musste, doch es war auch so peinlich genug. »Hallo, ich heiße Sophie, und ich bin in der zwölften Klasse. Ich mag Musik und lese gerne auf der Veranda.«
    Ich konnte mich darauf verlassen, dass einer meiner Mitschüler entsprechend antworten würde. »Cool. Ich bin auch in der Zwölf und mag Musik.«
    Ich machte das für alle sechs Kurse. Als ich mit der Vorstellerei fertig war, ging ich noch einmal jeden Kurs durch, fand den Beitrag eines anderen Mitschülers, den noch niemand beantwortet hatte und schrieb, was alle anderen auch geschrieben hatten: »Cool. Nett, dich kennenzulernen. Ich bin auch in der Zwölf.«
    Danach machte ich weiter und sah mir sämtliche Aufgabenlisten für das Semester an. Die Abgabetermine waren vorgegeben, und ich konnte loslegen, wann immer ich wollte. Ziemlich überrascht stellte ich fest, dass einige Aufgaben bereits in der ersten Woche fällig waren. Die zwölfte Klasse schien kein Zuckerschlecken zu werden. Ich griff nach meinem MP 3-Player, legte mich aufs Bett und hörte meine Lieblingsmusik, um mich zu motivieren. Es dauerte eine Stunde, aber schließlich klappte es.
    In der folgenden Woche hatte ich schon eine gewisse Routine entwickelt und war meinem Aufgabenplan sogar voraus. Ich erntete die Vorteile des Lernens im Internet und freute mich auf ein Fotoprojekt, für das ich ein Motiv aus der Natur nehmen konnte. Ich dachte sofort an den bizarren Krallenbaum auf dem Campus und hatte am Donnerstag meine Kamera in der Tasche, als ich zum Mittagessen fuhr.
    Diesmal konnte mir das Essen nicht schnell genug gehen. Ich war ungeduldig, weil ich endlich die Fotos machen wollte, aber meine Mutter war extrem neugierig. Sie stellte mir Millionen Fragen über meine Klassenkameraden und wollte wissen, ob es jemanden mit den gleichen Interessen gab, weil sie es nicht abwarten konnte, dass ich Freundschaften schloss. Ich wollte sie nicht ganz entmutigen.
    »Ja, Mama. Ich habe einige aus dem Abschlussjahr getroffen, die Musik mögen.«
    »Wirklich?«, fragte sie und freute sich. »Das ist aber schön. Du bist doch auch im Abschlussjahr und magst Musik.«
    »Ich weiß. Unglaublich, nicht wahr? Was für ein Zufall«, entgegnete ich und machte große Augen.
    »Sehr witzig, Sophie. Du musst mehr aus dir herausgehen und Menschen kennenlernen. Geh zu den Partys. Möglicherweise wirst du dann merken, dass ihr viele Gemeinsamkeiten habt, nicht nur Musik.«
    »Okay, mach ich«, sagte ich in der Hoffnung, dass sie Ruhe geben würde.
    Nach dem Mittagessen nahm ich mir auf dem Campus mehr Zeit als sonst. Ich machte einige Fotos von der Eiche und ging dann zurück zu meinem Auto. Ich war gerade am Parkplatz, da erhielt ich eine SMS von Kerry: CHEMIELEHRER NUR GEIL . Ich lachte, als ich zum Auto ging, konnte ihr aber nicht gleich antworten, weil es unhöflich gewesen wäre, meinen Parkplatz noch länger zu blockieren, während die Geier darauf warteten. Stattdessen beschloss ich, ihr an der nächsten roten Ampel zu schreiben, setzte mich in den Wagen
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