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Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind
Autoren: Nicholas Sparks
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daß es ihm nicht in den Kopf wolle, warum all dies ausgerechnet Jamie passierte. Er hatte ihr auch etwas mitgebracht und legte mit zitternder Hand einen Umschlag auf den Tisch. Er sprach mit tränenerstickter Stimme. Noch nie hatte ich ihn so aufgewühlt gesehen.
    »Du bist so großherzig und so freundlich«, sagte er mit unsicherer Stimme. »Ich habe das einfach hingenommen und war nicht immer nett zu dir, aber ich wollte dir sagen, was ich denke. Ich bin unendlich traurig, daß du so krank bist.«
    Er hielt inne und wischte sich die Augenwinkel trocken.
    »Du bist der beste Mensch, den ich kenne.«
    Während er seine Tränen zurückzuhalten versuchte und schniefte, hatte Margaret sich den ihren hingegeben. Sie saß schluchzend auf der Couch und brachte kein Wort heraus. Als Eric zu Ende gesprochen hatte, trocknete sich Jamie ihre Tränen und stand auf. Mit einem Lächeln öffnete sie in einer Geste der Vergebung - anders kann man es nicht nennen - die Arme. Eric ließ sich von ihr in den Arm nehmen und weinte, während Jamie ihm über den Kopf streichelte und leise auf ihn einsprach. Die beiden hielten sich lange so umschlungen, und Eric weinte, bis er ganz erschöpft war.
    Dann kam Margaret an die Reihe, und Jamie und sie machten genau das gleiche.
    Als Eric und Margaret sich die Jacken anzogen und gehen wollten, sahen sie Jamie noch einmal an, als wollten sie sie für immer im Gedächtnis festhalten. Ich bezweifelte nicht, daß sie Jamie so in Erinnerung behalten wollten, wie sie in dem Moment aussah. In meinen Augen war sie schön, und ich glaube, in ihren auch.
    »Mach's gut«, sagte Eric auf dem Weg zur Tür, »ich werde für dich beten, wie die anderen auch.«
    Dann sah er mich an und klopfte mir auf die Schulter.
    »Und du auch«, sagte er mit roten Augen. Als sie gingen, war ich so stolz auf sie wie nie zuvor.
    Als wir später den Umschlag aufmachten, sahen wir, was Eric getan hatte. Ohne uns einzuweihen, hatte er vierhundert Dollar für das Waisenhaus gesammelt.
    Ich wartete auf das Wunder.
    Es war noch nicht eingetreten.
    Anfang Februar wurde die Dosis der Schmerzmittel, die Jamie nahm, erhöht, weil die Schmerzen stärker wurden. Das jedoch verursachte ihr Schwindelgefühle, so daß sie zweimal auf dem Weg zum Badezimmer stürzte und einmal mit dem Kopf ans Waschbecken schlug. Danach bestand sie darauf, daß die Ärzte die Dosis wieder reduzierten, was sie widerstrebend auch taten. Obwohl Jamie danach gehen konnte, ohne daß ihr schwindlig wurde, hatte sie jetzt stärkere Schmerzen. Manchmal verzog sie schmerzvoll das Gesicht, wenn sie nur den Arm hob. Leukämie ist eine Krankheit, die sich im Blut ausbreitet, und zwar überall im Körper. Man ist ihr ausgeliefert, solange das Herz schlägt.
    Die Krankheit schwächte den ganzen Körper, auch die Muskeln, so daß schon die einfachsten Dinge schwierig wurden. In der ersten Februarwoche nahm sie sechs Pfund ab, und schon bald fiel es ihr schwer, längere Strecken zu gehen. Auch kürzere Wege konnte sie nur bewältigen, wenn die Schmerzen nicht zu stark waren, aber die wurden immer schlimmer. Bald erhöhte sie wieder die Dosis der Schmerzmittel und nahm die Schwindelgefühle in Kauf.
    Immer noch lasen wir zusammen die Bibel.
    Jedesmal, wenn ich Jamie besuchte, saß sie auf dem Sofa und hatte die Bibel schon aufgeschlagen. Ich wußte, daß ihr Vater sie bald zum Sofa würde tragen müssen, wenn wir weiterhin zusammen lesen wollten. Obwohl sie nie etwas darüber sagte, wußten wir beide, was das bedeutete.
    Mir lief die Zeit davon, und mein Herz erinnerte mich immer wieder daran, daß es noch etwas gab, was ich tun konnte.
    Am vierzehnten Februar, am Valentinstag, suchte Jamie eine Stelle aus dem Brief an die Korinther aus, die ihr sehr wichtig war. Sie sagte, wenn es je dazu kommen sollte, dann wollte sie, daß dieser Abschnitt bei ihrer Hochzeit gelesen würde. Das ist der Wortlaut:
    Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht, sie stellet sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit; sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles.
    Jamie war die wahrhaftige Verkörperung dieser Beschreibung.
    Drei Tage später, als es plötzlich warm wurde, wie das manchmal der Fall ist in Beaufort, zeigte ich ihr etwas
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