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Zeit im Wind

Zeit im Wind

Titel: Zeit im Wind
Autoren: Nicholas Sparks
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daß Hegbert niemals Hilfe von ihm annehmen würde, daß die Wunden zu tief gingen und es jetzt zu spät sei, sie zu heilen.
    »Hier geht es nicht um deine Familie oder um Pfarrer Sullivan oder um das, was früher passiert ist«, wies sie seine Antwort zurück. »Hier geht es um unseren Sohn, der sich in das Mädchen verliebt hat, das unsere Hilfe braucht. Und du wirst einen Weg finden, wie wir ihr helfen können.«
    Ich weiß nicht, was mein Vater Hegbert erzählte oder welche Versprechungen er machen mußte oder wieviel alles kostete. Ich weiß nur, daß Jamie bald darauf teure Apparate zur Verfügung hatte, daß sie alle Medikamente bekam, die sie brauchte, und daß zwei Krankenschwestern ihre Pflege übernahmen und ein Arzt mehrmals am Tag vorbeischaute.
    So konnte Jamie zu Hause bleiben.
    An dem Abend weinte ich zum ersten Mal in meinem Leben an der Schulter meines Vaters.
    »Gibt es Dinge, die du bedauerst?« fragte ich Jamie. Sie lag im Bett, über einen Tropf bekam sie die notwendigen Medikamente. Ihr Gesicht war weiß, ihr Körper hatte das Gewicht einer Feder. Sie konnte kaum noch laufen, und wenn, dann mußte jemand sie stützen.
    »Wir bedauern alle etwas, Landon«, sagte sie, »aber ich hatte ein sehr schönes Leben.«
    »Wie kannst du das sagen?« rief ich aus. Ich konnte meinen Kummer nicht verbergen. »Wo du soviel durchmachen mußt!«
    Sie drückte schwach meine Hand und lächelte mich zärtlich an.
    »Das hier«, gab sie zu, als sie im Zimmer herumblickte , »könnte besser sein.«
    Trotz meiner Tränen mußte ich lachen, aber sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Eigentlich sollte ich ihr eine Stütze sein, nicht umgekehrt. Jamie sprach weiter.
    »Aber abgesehen davon war ich glücklich, Landon. Wirklich. Ich habe einen Vater, der ein ganz besonderer Mensch ist und mir Gott nahegebracht hat. Wenn ich zurückschaue, weiß ich, daß ich den Menschen nicht mehr hätte helfen können, als ich es getan habe.«
    Sie machte eine Pause und sah mir in die Augen. »Ich bin sogar verliebt und werde geliebt.«
    Als sie das sagte, küßte ich ihre Hand und hob sie an meine Wange.
    »Es ist ungerecht«, sagte ich. Darauf schwieg sie.
    »Hast du immer noch Angst?« fragte ich sie.
    »Ja.«
    »Ich auch.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid.«
    »Was kann ich bloß tun?« fragte ich voller Verzweiflung. »Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.«
    »Liest du mir was vor?«
    Ich nickte, obwohl ich nicht wußte, ob ich eine Seite schaffen würde, ohne loszuweinen. Bitte, lieber Gott, sag mir, was ich tun kann!
    »Mom?« sagte ich am selben Abend.
    »Ja?«
    Wir saßen im Wohnzimmer auf dem Sofa vor dem prasselnden Kaminfeuer. Am Nachmittag war Jamie beim Vorlesen eingeschlafen. Ich wußte, daß sie viel Ruhe brauchte, und stahl mich davon, nicht ohne ihr zuvor einen Kuß auf die Wange gegeben zu haben. Es war harmlos, aber in dem Moment kam Hegbert ins Zimmer. In seinen Augen standen die miteinander kämpfenden Gefühle, denn er wußte, daß ich seine Tochter liebte, dennoch hatte ich gegen eine seiner Hausregeln verstoßen, auch wenn es eine unausgesprochene war. Wenn Jamie gesund gewesen wäre, hätte er mich nie wieder ins Haus gelassen. So ging ich einfach stillschweigend davon.
    Ich konnte ihm keinen Vorwurf machen. Die Zeit, die ich mit Jamie verbrachte, nahm soviel meiner Energie in Anspruch, daß ich zu erschöpft war, um von seinem Verhalten betroffen zu sein. Wenn Jamie mich in den letzten Monaten etwas gelehrt hatte, dann dies: daß man andere Menschen nach ihren Taten, nicht nach ihren Gedanken oder Absichten beurteilen sollte, und ich wußte, daß Hegbert mich am Tag danach wieder einlassen würde. All dies ging mir durch den Kopf, als ich neben meiner Mutter auf dem Sofa saß.
    »Glaubst du, daß unser Leben ein Ziel hat?« fragte ich.
    Es war das erste Mal, daß ich ihr eine solche Frage stellte, aber dies waren außerordentliche Zeiten.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Frage richtig verstehe«, sagte sie mit gerunzelter Stirn.
    »Ich meine - woher weißt du, was du tun mußt?«
    »Fragst du mich nach deinen Nachmittagen mit Jamie?« Ich nickte, war aber verwirrt.
    »Gewissermaßen, ja. Ich weiß, daß es richtig ist, aber… es fehlt etwas. Ich bin bei ihr, wir sprechen und lesen die Bibel, aber…«
    Ich brach ab, und meine Mutter setzte den Gedanken für mich fort.
    »Du meinst, du solltest mehr für sie tun?« Ich nickte.
    »Ich glaube nicht, daß du mehr tun kannst, mein Herz«, sagte sie
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