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Zeit des Zorn

Zeit des Zorn

Titel: Zeit des Zorn
Autoren: Don Winslow
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entsprechenden Adjektiv, der
Henne und dem Ei, Ursache und Wirkung.
    Der Gedanke ergab sich
aus einer Unterhaltung, die er in Afghanistan mitbekam. Es ging um
fundamentalistische Islamisten, die kleinen Mädchen die Gesichter mit Säure
verätzten, weil sie sich der Sünde schuldig gemacht hatten, in die Schule
gehen zu wollen.
    Hier
ist die Szene, an die sich Chon erinnert:
     
    SEAL TEAM FIREBASE - TAG
    Eine
Gruppe von SEALs - erschöpft nach einem Feuergefecht - stehen an einem Tisch um
eine Kaffemaschine herum.
     
    SEAL
TEAM SANITÄTER (schockiert, entsetzt) Wie können Menschen nur
etwas so ... Bestialisches tun?
     
    ANFÜHRER
DES SEAL-TEAMS (ausgepowert) Ganz einfach - es sind wilde Bestien.
     
    SCHNITT:
     
    Chon hat kapiert, was das
für ein Clip ist: eine Videokonferenz.
     
    Das Baja-Kartell
unterbreitet ihm damit folgende Vorschläge:
    1.   Du lässt die Finger vom
Hydro-Gras-Handel.
    2. Wir übernehmen das.
    3.   Du verkaufst uns deine
Komplettware zu einem günstigen Preis.
    4.   Sonst...
    ...
betrachten wir doch das Video noch mal genauer.
     
    Es handelt sich um sehr
anschauliches visuelles Lernmaterial (auf neuestem pädagogischen Stand), das
fünf ehemalige Drogenhändler aus dem Großraum Tijuana/San Diego zeigt, die
entgegen unserer zuvor deutlich formulierten Forderungen darauf bestanden,
ihre Produkte selbst zu vertreiben, außerdem vier ehemalige mexikanische
Polizeibeamte aus Tijuana, die für deren Schutz sorgen sollten (wenig erfolgreich,
wie sich herausgestellt hat).
    Diese Männer waren
verfluchte Vollidioten.
    Wir halten dich für sehr
viel schlauer.
    Sieh's dir an und lerne
daraus.
    Zwing uns nicht zu einer
Live-Schalte.
     
    Chon
erklärt O:
    Das Baja-Kartell, mit
Hauptsitz in Tijuana, exportiert massenhaft Marihuana, Koks, Heroin und
Crystal Meth über Land, zu Wasser und durch die Luft in die Vereinigten Staaten
von Amerika. Ursprünglich kontrollierte es nur den Grenzschmuggel und überließ
anderen den Vertrieb vor Ort. In den vergangenen Jahren jedoch drängte das
Kartell immer stärker ins Geschäft, von der Produktion und dem Transport bis
hin zu Marketing und Verkauf.
    Bei Heroin und Kokain
gelang die Übernahme relativ mühelos, was Crystal Meth anging, musste erst mal
der Widerstand einiger amerikanischer Motorradgangs, die den Handel bis dato
kontrollierten, gebrochen werden.
    Die Biker hatten aber
schon bald keinen Bock mehr auf ausschweifende, verschwenderische Beerdigungen
(in letzter Zeit mal einen Blick auf die Bierpreise geworfen?) und erklärten
sich bereit, dem Verkaufsteam des Baja-Kartells beizutreten. Die Notärzte in
ganz Amerika freuten sich, weil dadurch die Crystalproduktion vereinheitlicht
wurde und sie jetzt wussten, mit welchen biochemischen Symptomen sie zu rechnen
hatten, wenn Leute mit Überdosis reinkamen.
    Die Verkaufszahlen der
drei genannten Drogen sanken jedoch in den Keller. Gerade bei Crystal Meth
setzte eine unaufhaltsame natürliche Auslese ein, da die User meist entweder
wegsterben oder sich ihr Hirn derart rasant verflüssigt, dass sie nicht mehr
mitkriegen, wo sie das Produkt kaufen können. (Wer glaubt, dass er Junkies
hasst, der hat noch keine Kristaller gesehen.) Und obwohl sich Heroin langsam
aber merklich von der Flaute erholt, muss das BK die schwindenden Einkünfte
irgendwie wieder wettmachen, um sämtliche Teilhaber bei Laune zu halten.
    Deshalb will sich das
Kartell jetzt den kompletten Marihuana-Markt unter den Nagel reißen und die
lästige Konkurrenz der familiengeführten Hydrobetriebe in Südkalifornien
ausschalten.
    »Betriebe wie Ben &
Chonny's«, sagt O.
    Chon nickt.
    Das BK gestattet ihnen
nur unter der Voraussetzung im Geschäft zu bleiben, dass sie ausschließlich an
das Kartell verkaufen, das selbst die größte Profitspanne einstreicht.
    »Also wie Wal-Mart«, sagt
O.
    (Haben wir auch schon erwähnt,
dass O nicht auf den Kopf gefallen ist?)
    Die sind Wal-Mart, pflichtet Chon ihr
bei, und außerdem haben die Chefs ihre Angebotspalette deutlich erweitert - sie
verkaufen nicht nur Drogen, sondern auch Menschen, sowohl auf dem Arbeits- wie
auf dem Sexmarkt, jüngst sind sie sogar in das lukrative Entführungsgeschäft
eingestiegen.
    Aber das ist nicht
relevant für die Diskussion oder den fraglichen Videoclip, der drastisch vor
Augen führt, dass ...
    Ben und Chonny nur die
Wahl bleibt zwischen Deal oder No Deal. Das heißt: Kopf ab.
    »Gehst
du drauf ein?«, fragt O.
    Chon
schnaubt: »Nein.«
    Er macht den Laptop
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