Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit des Zorn

Zeit des Zorn

Titel: Zeit des Zorn
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
festgefahrenen schiitisch/sunnitischen/Al-Qaida-Kacke in
Mesopotamien gutmachen, jedenfalls wenn man es im Detail nicht zu genau nahm.
    O diagnostizierte FPTBS bei Chon.
    Das Fehlen einer
Posttraumatischen Belastungsstörung. Er sagt, er hat keine Alpträume, nervösen
Anfälle, Flashbacks, Halluzinationen oder Schuldgefühle.
    »Das war keine
Belastung«, behauptete Chon hartnäckig, »und traumatisch war's auch nicht.«
    »Muss am Dope liegen«,
meinte O.
    Dope ist gut, pflichtete
Chon ihr bei.
    Dope ist angeblich
schlecht, aber in einer schlechten Welt ist es gut, falls ihr dem
moralischen Schlenker folgen könnt. Chon spricht von Drogen als einer
»rationalen Reaktion auf den Wahnsinn«, und seine chronische Verwendung der
chronische Krankheiten auslösenden Substanzen ist eine chronische Reaktion
auf den chronischen Irrsinn.
    Man wird davon
ausgeglichen, glaubt Chon. In einer Welt, die im Arsch ist, muss man selbst
auch im Arsch sein, sonst fällt man ...
    ...
hinten ...
    ...
runter ...
     
    O zieht ihre Jeans hoch, geht zum Tisch und betrachtet die Pistole, die immer
noch auseinandermontiert auf dem Strandtuch liegt. Die Metallteile sind schön
in ihrer maschinell gefertigten Präzision.
    Wie schon gesagt, O steht
auf technische Geräte.
    Es sei denn, Chon säubert
eines mit professioneller Konzentration und starrt gleichzeitig auf einen
Computerbildschirm.
    Sie sieht ihm über die
Schulter, weil sie wissen will, was da so toll ist.
    Rechnet damit, dass
jemand einen geblasen bekommt und jemand jemandem einen bläst, weil es kein
Geben ohne Neh men gibt, kein Nehmen ohne Geben, schon gar nicht
bei Blowjobs.
    Aber nicht so schnell.
    Denn was sie sieht, ist
dieser Clip:
    Eine Kamera schwenkt über
eine Reihe von neun abgetrennten Köpfen, die in einer Lagerhalle auf dem Boden
aufgereiht liegen. Auf den Gesichtern - alle männlich, alle mit ungepflegtem
schwarzem Haar - zeichnen sich Schock, Trauer, Leid und Resignation ab. Dann
fährt die Kamera an der Wand hinauf, wo die Leiber der Enthaupteten an Haken
hängen, als hätten die Köpfe sie vor Schichtbeginn in den Spind gehängt.
    Es gibt keinen Ton dazu,
keine Kommentatorenstimme, nur ganz entfernt die Geräusche der Kamera und
dessen, der sie hält.
    Aus irgendeinem Grund ist
die Stille ebenso brutal wie die Bilder.
    O kämpft den aufsteigenden Brechreiz nieder. Wie bereits erwähnt, ist sie kein
Mädchen, das gerne über der Schüssel hängt. Als sie wieder Luft bekommt,
betrachtet sie die Pistole, dann den Bildschirm und fragt: »Fährst du wieder in
den Irak?«
    Chon
schüttelt den Kopf. Nein, sagt er, nicht in den Irak. Nach San Diego.
     
    OMG.
    Oh mein Gott. RU Ready 4
...
    Enthauptungs-Porno!
    Das muss man sich mal
reinziehen.
    Schwule Enthauptungs-Pornos?!
    O vermutet, dass Chon ernsthaft was an der Schraube hat - nein, sie weiß, dass
Chon ernsthaft was an der Schraube hat-, der ist nicht bloß verdreht, wie
Spaghetti von gestern, sondern er steht drauf zuzugucken, wie Kerlen der Kopf
abgeschlagen wird, wie in dieser Fernsehserie über den englischen König, der
jeder Frau, mit der er was hatte, die Rübe abhacken ließ. (Moral von der
Geschichte: Besorgst du's einem Typen mit dem Mund, will er gleich den ganzen
Kopf, außerdem hält er dich für eine Hure und macht Schluss mit dir. Oder: Sex
= Tod).
    »Wer hat dir das denn geschickt?«, fragt O.
    Ist das ein Virus, taucht
das bei YouTube auf, ist das der Clip des Tages, den man gesehen haben muss?
MySpace, Facebook (nein, überhaupt nicht komisch), Hulu? Gucken sich heutzutage
alle so was an, leitet man das seinen Freunden weiter, hier guck mal, musst du
gesehen haben?
    »Wer hat dir das
geschickt?«, wiederholt sie.
    »Wilde Bestien«, sagt
Chon.
     
    Chon
sagt nicht viel.
    Wer ihn nicht kennt,
denkt, er hätte ein eingeschränktes Vokabular. Das Gegenteil ist aber der Fall
- Chon verliert nicht viele Worte, weil er sie gerne mag. Er schätzt sie so
sehr, dass er sie für sich behalten will.
    »Das ist wie mit
Menschen, die auf Vierteldollarmünzen stehen«, hat O mal
erklärt. »Menschen, die auf Vierteldollarmünzen stehen, wollen keine ausgeben.
Damit sie immer ganz viele Vierteldollarmünzen in der Tasche haben.«
    Okay,
da war sie zugedröhnt.
    Lag
aber trotzdem nicht falsch.
    Chon
hat immer eine Menge Wörter im Kopf, er lässt sie nur nicht sehr oft raus. Zum
Beispiel »Bestie«. Singular von »Bestien«. Adjektiv »bestialisch«.
    Chon
ist fasziniert vom Substantiv im Verhältnis zum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher