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Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
Autoren: Matti Rönkä
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hängen.
    »Verdammt«, sagte ich, um klarzustellen, dass ich die Sache ernst nahm. »Soll ich mit dem Lehrer sprechen? Oder mit irgendwem sonst in der Schule?«
    »Nein.«
    »Vielleicht würde das auch nichts helfen. Die dich da ärgern, sind einfach dumme Blödköpfe.«
    »Genau«, sagte Erkki so überzeugend wie ein Abo-Werber. Sie sind uns als Kunde so wichtig, dass ich befugt bin, Ihnen ein Superangebot zu machen, Brigitte-Sabine-Küchenbiene plus Wunder der Technik sechs Monate lang für nur einmal zehn und drei Euro und ein praktisches Kehrblech gratis dazu.
    »Na, versuch es durchzustehen. Und das schaffst du auch.« So, wie ich redete, hätte ich glatt Abo-Werber ausbilden können.
    Marja meldete sich wieder zu Wort, sie klang etwas versöhnlicher. Ich erzählte ihr, dass ich nach Petrozawodsk fahren musste und mein Handy möglicherweise ein paar Tage lang keinen Empfang haben würde.
    »Pass auf die beiden auf, und auf dich«, sagte ich zum Schluss.
    »Du auch. Fahr vorsichtig.«
    In den Worten schwang ein leises Echo, ein Hauch von der alten Marja mit.
    Von dem Mädchen, das mich unter ihrer Mütze und dem dichten dunklen Haar angeschaut hatte wie ein Fuchsjunges. Inzwischen war sie wohl ein ausgewachsener Cityfuchs.
    Meine Frau. Nun ja, verheiratet waren wir nicht. Meine Mitbewohnerin. Meine Freundin. Die Mutter meiner Tochter.
    Ich probierte die Worte aus. Marja war einfach Marja, so war es am besten.
    Aber sie hatte sich sehr verändert.
    Schon gegen Ende ihres Studiums war sie irgendwie härter geworden. Sogar mit ihrer Familie hatte sie sich beinahe überworfen. Ich ahnte, dass ich daran nicht ganz unbeteiligtwar. Einem Bauernpaar aus Südostfinnland fiel es nicht leicht zu akzeptieren, dass ein Rückwanderer mit der Tochter das Bett teilt. Marja hatte ihre Wahl verteidigen müssen. Oder ihre Selbstständigkeit, ihr Recht auf eigene Entscheidungen. Aber eine Mutter war eine Mutter und ein Vater war ein Vater, man konnte sie nicht einfach verstoßen.
    Vor zwei Jahren hatte Marja eine Geschäftsidee entwickelt. Die Bevölkerung alterte, für alte Leute gab es nicht genug Helfer und nicht genug Einrichtungen, wo sie wenigstens halbwegs selbstständig leben konnten. Marja ließ sich von mir ein Reihenhaus in Espoo bauen, das den Normen für Pflegeheime entsprach, besorgte sich die Genehmigungen und Diplome, stellte Migrantinnen und zwei finnische Krankenschwestern ein und machte meine zuverlässige Sekretärin Oksana Pelkonen zur Assistentin.
    Das Pflegeheim Abendstern war von Anfang an voll belegt, und auf der Warteliste standen weitere zahlungskräftige Senioren. Inzwischen betrieb Marja nach demselben Konzept bereits drei Wohnheime. Oder »Einheiten für ein Wohnen wie zu Hause«, wie sie es nannte.
    So ähnlich empfand ich auch unser neues Haus. Meine alten Möbel waren mit unserem früheren Zuhause verbrannt, aber der Geschirrschrank aus Nussbaum oder der Sofatisch mit seinen Intarsien hätten vor Marjas Augen wohl ohnehin keine Gnade gefunden. Ganz gleich, in wie hohen Tönen ich den spiegelartigen Glanz des Schranks gepriesen hätte, und die reich verzierten Beine des Tischs, graziös wie die Tatzen einer Raubkatze. Marja wollte kühle Farben, helles Holz, seltsam glatte, einfarbige Tassen, Tischtücher mit großflächigen Mustern.
    Auch mit Erkki war sie manchmal zu streng. Es war nicht Erkkis – oder eigentlich Sergejs – Schuld, dass er verstoßen,verwaist war. Ich musste für ihn sorgen, für meinen entfernten Verwandten, das war klar.
    Eine schlechte Mutter liebt nur ihre eigenen Kinder, das hatte meine Mutter immer gesagt. Und sie hatte recht gehabt, fast immer und in fast allen Fragen.
    Aber es war leicht für mich, Marja aus der Ferne Vorwürfe zu machen.
    Ich goss mir den Rest aus der Wodkaflasche ein und studierte den Grundstücksmarkt an der Ostgrenze. Die Kommunen boten auf ihren Webseiten billiges Bauland an den Seeufern an wie Sauerbier.

3
    Die Melkmaschinen der Kolchose brummen gleichmäßig, ich weiß, dass es Morgen ist. Aleksej und ich schlafen im breiten Bett, ich liege an der Wand, hinter dem Rücken meines großen Bruders. Gleich wird die Tür knarren, dann kommt Oma und sagt, na los Jungs, fangt mal an, euch zu lupfen. Ich weiß nicht, was lupfen bedeutet, kein anderer sagt das außer Oma, jeden Morgen, auf Finnisch, und jeden zweiten Morgen fügt sie seufzend hinzu, euer Schlafplatz ist so schön warm. Im Winter lächeln wir heimlich darüber, denn auf dem Wassereimer
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