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Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
Autoren: Matti Rönkä
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Hemdknöpfe auf eine harte Probe. Der feste Dauerknoten der Krawatte wurde vom Doppelkinn fast verdeckt.
    Ich vergewisserte mich, dass alle Kabinen leer waren. Ein junger Mann, der sich gerade die Hände wusch, warf mir im Spiegel einen kurzen Blick zu. Ich lehnte mich an die Kachelwand und sagte, ich hielte zwar viel von Hygiene, doch jetzt sei es ratsam, mit dem Geplätscher aufzuhören und sich die Hände im Restaurant am Tischtuch zu trocknen. Der Mann verschwand blitzschnell. Wenn ihn jemand fragte, würde er behaupten, auf der Toilette niemanden gesehen zu haben.
    »Was soll die Kacke?«, fragte ich, bevor Koljukow irgendetwas sagen konnte.
    Mein Geschäftsfreund nahm ein Papierhandtuch und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. Auch sein Kopf war rund, wie ein Basketball mit schwarzen Locken.
    »Ich dachte, ich sollte über irgendeinen Auftrag passender Größe verhandeln. Für so einen Riesenklotz sind die großen Unternehmen zuständig, YIT oder Skanska. Unsereins würde verdammt nochmal ein halbes Jahr brauchen, allein um die Waschräume zu kacheln, selbst wenn alle meine Leute Überstunden machten«, fuhr ich fort.
    »Naja, ich wollte bei den Verhandlungen jemanden bei mir haben, dem ich trauen kann«, gestand Koljukow.
    »Zum Teufel mit dir! Einen stummen Gorilla wolltest du? Hättest du mir das gleich gesagt, dann hätte ich eine Sonnenbrille aufgesetzt und mir eine Möhre in die Hose gesteckt, damit sich was wölbt. Ich hab ja nicht mal eine Waffe.«
    »Gefährlich ist es überhaupt nicht, aber du gibst der Sache einen guten Touch. Du bist repräsentabel und siehst finnisch aus und …«
    »Dann hättest du besser gleich ein Fotomodell angeheuert«, schnaubte ich. »Was sind das eigentlich für Leute, deine prospektiven Kunden?«
    Koljukows Miene war stets unternehmerhaft besorgt, doch nun breitete sich ein listig-hoffnungsvolles Lächeln auf seinem Gesicht aus.
    »Große Burschen. Große Gelder«, flüsterte er. »Irgendwann wechselt die Macht, da lohnt es sich, auf das richtige Pferd zu setzen. Glaubst du etwa, die Petersburger Ponys halten über längere Strecken durch? Vollblüter kommen von anderswo.«
    »Was für eine Scheiße redest du da? Wir sind hier nicht beim Trabrennen, und Fohlen kaufen wir auch keine.«
    »Die haben Geld. Moskauer Geld. Und amerikanische Dollars. Internationales Business.«
    Dann sah Koljukow sich um, als wolle er sich vergewissern, dass wir allein waren. Die letzten Worte sprach er nicht einmal mehr flüsternd, sondern formte sie nur mit den Lippen.
    »Juden«, wiederholte ich in meiner Verwunderung laut, und Koljukow bedeutete mir nervös, still zu sein.
    Nachdenklich saß ich auf dem Klodeckel. Ich hatte Koljukow an den Tisch zurückgeschickt, hatte ihm gesagt, ich bliebe noch, um mein richtiges Geschäft zu verrichten, und bräuchte dabei keinen Assistenten. Dann hatte ich die Türverriegelt. Auf die graugrüne Fläche war ein Aufkleber der Unterhaltungskünstler von Luumäki gepappt, darunter hatte jemand eingeritzt: Reiska was here .
    In was zum Teufel zog Koljukow mich hinein?
    Ich hoffte, dass er mit den kleinen Petersburger Ponys die Geschäftsmänner der Petersburger Kasse gemeint hatte. Sie teilten das Gebiet und die lokale Geschäftstätigkeit untereinander auf. Jeder Anteilseigner finanzierte die Aktivitäten in seinem Revier und kassierte dort ab, bei legalen und illegalen Geschäften und allem, was dazwischen lag. Ihre Tätigkeit hatte nach meinen Maßstäben schwindelerregende Dimensionen, aber zu ihnen hatte ich Kontakte, bis an die Spitze. Und von diesem Spiel verstand ich genug, um abspringen zu können, wenn es zu wild wurde.
    An die schlimmere Alternative wagte ich kaum zu denken. Mit den »Petersburgern« konnte auch die oberste Legion gemeint sein, die unter Putin aufgestiegene Gruppe, deren gemeinsamer Nenner ihre Vergangenheit in Leningrad und später St. Petersburg war, bei vielen auch die Tätigkeit im Sicherheitsdienst, in der Epoche des KGB oder des FSB.
    Auch der Teddybär Medwedjew gehörte zu dieser Flut von Männern, die gegenseitig füreinander bürgten. Neuerdings schwoll sie an, floss von den obersten Etagen der Administration auch auf die unteren Ebenen und verdrängte diejenigen, die nicht dazugehörten.
    Von diesem neuen Politbüro wollte ich mich fernhalten, in Deckung bleiben, mich unsichtbar machen.
    Ich starrte auf die Toilettentür. Mein Gedächtnis katapultierte mich in das Jahr 1987, zur Parade zu Ehren der Revolution auf
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