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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
Autoren: Diana Gabaldon
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vermutet.«
    »Das doch nicht«, sagte Raymond beinahe sanft. »Dass Ihr einer der Meinen seid.«
    »Der Euren?« Rakoczy senkte den Blick erneut auf ihre miteinander verbundenen Hände, die in Blau getaucht waren.
    »Jeder Mensch hat seine eigene Aura«, sagte Raymond. »Aber nur meine … meine Söhne und Töchter haben das hier .«
    In der seligen Stille war es möglich, wieder zu denken. Und das Erste, was ihm in den Sinn kam, war das Sternengemach, wo der König zuschaute, wie sie einander über einen Becher voll Gift hinweg ansahen. Und jetzt wusste er, warum ihn der Frosch nicht umgebracht hatte.
    In Rakoczys Kopf jagten sich die Fragen. La Dame Blanche, blaues Licht, Mélisande und Madeleine … Der Gedanke an Madeleine und an das, was in ihr heranwuchs, hätte ihn fast davon abgehalten zu fragen, doch der Drang, es zu erfahren, es endlich zu wissen , war zu stark.
    »Könnt Ihr … können wir … vorwärtsreisen?«
    Raymond zögerte einen Moment, dann nickte er.
    »Ja. Aber es ist gefährlich. Sehr gefährlich.«
    »Wirst du es mir zeigen?«
    »Ich meine es ernst.« Die Finger des Frosches umklammerten ihn fester. »Es ist schon gefährlich, es zu wissen, ganz zu schweigen davon, es zu tun.«
    Rakoczy lachte ausgelassen, überglücklich. Warum sollte er dieses Wissen fürchten? Möglich, dass ihn die Passage umbrachte – aber er hatte ja die Tasche voller Steine, und außerdem, welchen Zweck hatte es, auf einen langsamen Tod zu warten?
    »Sag mir, wie!«, sagte er und drückte die Hand des anderen Mannes. »Um unseres gemeinsamen Blutes willen!«
    JOAN STAND STOCKSTEIF DA und staunte. Michael hatte immer noch den Arm um sie gelegt, doch sie bemerkte es kaum.
    »Er ist es wirklich !«, flüsterte sie. »Tatsächlich! Alle beide!«
    »Was sind sie beide?« Michael starrte sie an.
    »Feenvolk!«
    Er blickte angestrengt auf die Szene vor ihnen. Die beiden Männer standen einander direkt gegenüber, die Hände ineinander verschlungen, und ihre Münder bewegten sich in einem lebhaften Zwiegespräch – in völliger Stille. Es war, als sähe man Pantomimen zu, nur noch weniger spannend.
    »Es ist mir gleich , was sie sind. Verrückte, Verbrecher, Dämonen, Engel … Komm schon!« Er ließ den Arm sinken und ergriff ihre Hand, doch sie stand wie angewurzelt da, und ihre Augen wurden größer und größer.
    Sie drückte seine Hand so fest, dass die Knochen knirschten, und schrie aus voller Kehle: » Tut es nicht!«
    Er fuhr im selben Moment herum, als der Rock des Grafen an der Vorderseite in einem Funkenregen explodierte. Und dann verschwanden sie.
    SIE STOLPERTEN ZUSAMMEN durch die langen kalkigen Durchgänge, in das flackernde Licht der erlöschenden Fackeln getaucht, rot, gelb, blau, grün, ein gespenstisches Violett, in dem Joans Gesicht aussah wie das einer Ertrunkenen.
    » Des feux d’artifice «, sagte Michael. Seine Stimme hallte merkwürdig in den leeren Tunneln wider. »Ein Zauberkunststück.«
    »Was?« Joan sah aus wie betäubt, ihre Augen schwarz vor Schreck.
    »Die Fackeln. Die … Farben. Hast du noch nie von Feuerwerk gehört?«
    »Nein.«
    »Oh.« Es schien zu mühsam, es ihr zu erklären, und sie gingen schweigend weiter, so schnell sie konnten, um den Schacht zu erreichen, bevor das Licht vollständig erlosch.
    Am Fuß der Leiter blieb er stehen, um sie zuerst gehen zu lassen, und zu spät fiel ihm ein, dass er zuerst hätte gehen sollen – sie würde noch denken, er wollte ihr unter das Kleid schauen … Er wandte sich hastig ab, und sein Gesicht brannte.
    »Meinst du, er war es wirklich? Beide vielleicht?« Sie hielt sich knapp über ihm an der Leiter fest. Über ihr konnte er die Sterne sehen, die heiter am Samthimmel leuchteten.
    »Was denn?« Er schaute ihr ins Gesicht, um ihren Anstand nicht zu gefährden. Sie sah jetzt besser aus, aber sehr ernst.
    »Gehörten sie zum Alten Volk?«
    »Wahrscheinlich.« Sein Verstand bewegte sich sehr langsam; er wollte nicht versuchen müssen zu denken. Er winkte ihr weiterzuklettern, die Augen fest geschlossen. Wenn die beiden Männer zum Alten Volk gehörten, so galt das wohl auch für Tante Claire. Und darüber wollte er wirklich nicht nachdenken.
    Dankbar sog er die frische Luft in seine Lunge. Der Wind wehte jetzt auf die Stadt zu und kam von den Feldern, erfüllt vom Harzduft der Kiefern, von Gras und Rindern. Er spürte, wie auch Joan durchatmete, tief seufzte, und dann wandte sie sich ihm zu, legte die Arme um ihn und lehnte die Stirn an seine
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