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Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Autoren: Lee Child
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anstrengenden Lauf.
    »Ich glaube schon«, meinte er. »Zumindest atmet sie.«
    Er umfasste ihr Handgelenk und fühlte ihren Puls. Er war schnell und kräftig.
    »Sie wird durchkommen«, sagte er. »Der Puls ist in Ordnung.«
    »Wir sollten sie ins Krankenhaus bringen«, schlug Harper vor.
    »Hier ist sie besser aufgehoben«, erwiderte Reacher.
    »Aber sie braucht Beruhigungsmittel. Sie ist doch völlig durcheinander.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie wird sich an nichts erinnern, wenn sie wieder zu sich kommt.«
    Harper starrte ihn an, bis auf die Haut durchnässt und mit Farbe verschmiert, einen Bademantel in der Hand. »Soll das ein Witz sein?«
    »Sie wurde hypnotisiert«, erklärte er.
    Er deutete mit dem Kopf zum Badezimmer.
    »Nur so konnte sie das schaffen«, sagte er. »Sie war die größte Expertin des FBI auf diesem Gebiet.«
    »Durch Hypnose?«, sagte Harper.
    Er nahm ihr den Bademantel ab und breitete ihn über Scimecas reglose Gestalt. Sie sah aus, als liege sie im Tiefschlaf,
abgesehen von den offenen Augen, die ins Leere blickten.
    »Ich kann’s nicht glauben«, sagte Harper.
    Reacher trocknete mit dem Handtuchzipfel Scimecas Gesicht ab.
    »Nur so konnte sie das schaffen«, wiederholte er.
    Mit den Daumen schloss er Scimecas Augen, weil er fand, dass sich das so gehörte. Prompt atmete sie langsamer, drehte den Kopf ein wenig zur Seite und drückte das Gesicht ins Kissen, unruhig, so als werde sie im Schlaf von Träumen geplagt.
    »Wann ist Ihnen das klar geworden?«, fragte Harper mit einem Blick in Richtung Bad.
    »Hundertprozentig?«, sagte er. »Letzte Nacht.«
    »Aber wie sind Sie darauf gekommen?«, wollte sie wissen.
    »Ich bin noch mal alles Schritt für Schritt durchgegangen«, sagte er. »Von Anfang an, Tag für Tag, immer wieder, bis ich schier wahnsinnig geworden bin. Es war die typische Was-wäre-wenn -Sache. Und dann habe ich gedacht, was käme sonst noch in Frage.«
    Harper starrte ihn an. Er zog den Bademantel enger um Scimecas Schultern.
    »Ich wusste, dass ihr euch irrt, was das Motiv angeht«, sagte er. »Ich wusste es die ganze Zeit. Aber ich konnte einfach nicht begreifen, warum. Ihr habt allerhand schlaue Leute auf den Fall angesetzt, stimmt’s? Aber sie lagen so offensichtlich daneben. Deshalb habe ich mich die ganze Zeit gefragt, warum das so ist. Warum? Sind sie mit einem Mal alle völlig verblödet? Sind sie alle betriebsblind geworden? Zuerst dachte ich, es handelt sich darum. Kleine Abteilungen innerhalb großer Apparate schotten sich oft ab, nicht? Das liegt in der Natur der Sache. Ich dachte mir, ein Haufen Psychologen, die dafür bezahlt werden, dass sie hochkomplizierte Fälle lösen, ist nicht bereit, einfach aufzugeben
und zu sagen, nein, hier handelt es sich um etwas ganz Gewöhnliches. Ich habe mir überlegt, ob sie das vielleicht unterbewusst machen. Aber irgendwann habe ich den Gedanken verworfen. Und letzten Endes blieb nur eine Antwort übrig – dass sie sich irren, weil sie sich irren wollen .«
    »Und Sie wussten, dass Lamarr die treibende Kraft war, was das Motiv betrifft«, sagte Harper. »Weil es im Grunde genommen ihr Fall war. Deshalb ist Ihr Verdacht auf sie gefallen.«
    Er nickte.
    »Genau«, stimmte er ihr zu. »Als Alison starb, musste ich sofort an Lamarr denken, weil sie die nächste Angehörige war, und familiäre Beziehungen muss man, wie Sie ganz richtig sagten, immer berücksichtigen. Also habe ich mich gefragt, was wäre, wenn sie alle umgebracht hat? Was wäre, wenn sie ein persönliches Motiv kaschieren will, indem sie sich zunächst aufs Geratewohl drei Opfer aussucht? Aber mir war nicht klar, wie sie es macht. Oder warum. Es gab kein persönliches Motiv. Sie und ihre Schwester waren nicht die dicksten Freundinnen, aber sie kamen gut miteinander aus. Es gab keine familiären Auseinandersetzungen. Keinerlei Streit um die Erbschaft zum Beispiel. Jeder sollte gleich viel bekommen. Keinerlei Neid oder Missgunst. Und außerdem hatte sie Flugangst. »
    »Aber?«
    »Aber dann ist der Groschen gefallen. Es ging um etwas, das Alison gesagt hat. Es ist mir erst viel später wieder eingefallen. Sie sagte, ihr Vater liege im Sterben, aber Schwestern kümmern sich umeinander, stimmt ’ s? Ich dachte, sie meint damit, dass man füreinander da ist, sich Trost spendet. Aber dann habe ich gedacht, was wäre, wenn sie es anders meint? So, wie manche Menschen diese Formulierung gebrauchen. Wie Sie zum Beispiel, als wir in New York Kaffee trinken waren und
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