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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens
Autoren: Cecelia Ahern
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schon eine ganze Menge verschwendet.«
    »Es ist Weihnachten, da bezweifle ich, dass es für Sie besonders viel zu tun gibt.« Er schaute auf Raphies Bauch. »Außer Donuts essen.«
    »Du würdest dich wundern.«
    »Zum Beispiel?«
    »Irgendein Idiot hat heute Morgen einen Truthahn durch ein Fenster geworfen.«
    Der Junge verdrehte wieder die Augen und sah zu der Uhr, die an der Wand tickte. »Wo sind meine Eltern?«
    »Die wischen das Fett von ihrem Fußboden.«
    »Das sind nicht meine Eltern«, stieß er hervor. »Jedenfalls ist
sie
nicht meine Mutter. Wenn die mich hier abholen will, geh ich nicht mit.«
    »Oh, ich bezweifle stark, dass die beiden dich abholen und mit nach Hause nehmen«, meinte Raphie, griff in die Tasche und holte ein eingewickeltes Schokobonbon heraus. Langsam packte er es aus, und das Papier knisterte in {23 } dem stillen Raum. »Ist dir schon mal aufgefallen, dass die mit Erdbeergeschmack immer als Letzte in der Packung übrig bleiben?« Lächelnd steckte er sich das Bonbon in den Mund.
    »Garantiert bleibt überhaupt nichts übrig, wenn Sie in der Nähe sind.«
    »Dein Vater und seine Partnerin –«
    »Die eine Nutte ist, nur damit Sie’s wissen«, fiel der Truthahnjunge Raphie ins Wort und beugte sich dicht zum Aufnahmegerät.
    »Vielleicht kommen sie vorbei, um Anzeige zu erstatten.«
    »Das würde Dad nie tun.«
    »Er zieht es zumindest in Erwägung.«
    »Nein, tut er nicht«, quengelte der Junge. »Und wenn doch, dann hat sie ihn dazu gebracht. Diese Schlampe.«
    »Ich denke, es ist wahrscheinlicher, dass er es tut, weil es jetzt in sein Wohnzimmer schneit.«
    »Schneit es draußen?« Jetzt sah er wieder aus wie ein Kind, mit großen, hoffnungsvollen Augen.
    Raphie lutschte an seinem Bonbon. »Manche Leute beißen einfach rein in die Schokolade, aber ich lutsche sie lieber, am besten möglichst langsam.«
    »Ach, lutschen Sie doch den«, knurrte der Truthahnjunge und packte sich zwischen die Beine.
    »Mit diesem Anliegen solltest du dich vielleicht lieber an einen Freund wenden.«
    »Ich bin aber nicht schwul«, schnaubte sein Gegenüber. Aber dann beugte er sich vor, und das Kind kehrte zurück. »Ach, kommen Sie, schneit es draußen echt? Lassen Sie mich raus, damit ich es mir ansehen kann, ja? Ich schau auch bloß aus dem Fenster.«
    Raphie schluckte den Bonbonrest hinunter und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Dann sagte er mit ernster Stimme: »Das Baby hat was von den Glasscherben abgekriegt.«
    »Und?«, knurrte der Junge, aber sein Gesicht war besorgt, und er begann, an einem Nagelhäutchen herumzuzupfen.
    »Der Kleine war neben dem Weihnachtsbaum, direkt dort, wo der Truthahn gelandet ist. Zum Glück hat er sich nicht geschnitten. Der Kleine, nicht der Truthahn. Der Truthahn war ziemlich schwer verletzt. Wir glauben nicht, dass er durchkommt.«
    Der Junge sah erleichtert und gleichzeitig verwirrt aus.
    »Wann holt meine Mum mich ab?«
    »Sie ist unterwegs.«
    »Die Frau mit Riesendingern … « – er legte sich die gewölbten Hände vor die Brust – » … hat mir das schon vor zwei Stunden erzählt. Was ist eigentlich mit ihrem Gesicht passiert? Habt ihr zwei es zu wild getrieben?«
    Raphie ärgerte sich darüber, wie der Junge über Jessica redete, aber er beherrschte sich und blieb ruhig. Der Knabe war es nicht wert. Lohnte es sich tatsächlich, ihm die Geschichte zu erzählen?
    »Vielleicht fährt deine Mutter heute besonders langsam und vorsichtig. Die Straßen sind ziemlich glatt.«
    Der Truthahnjunge sah nachdenklich und wieder ein bisschen ängstlich aus. Er knibbelte weiter nervös an seiner Nagelhaut.
    »Der Truthahn war zu groß«, fügte er nach einer langen Pause hinzu. »Mum hat die gleiche Größe gekauft wie sonst, als Dad noch zu Hause war. Sie dachte nämlich, er würde zurückkommen.«
    »Deine Mutter hat gedacht, dein Vater würde zu euch zurückkommen?«, hakte Raphie nach, aber es war eigentlich mehr eine Feststellung als eine Frage.
    Der Junge nickte. »Als ich den Truthahn dann aus dem Gefrierschrank genommen habe, bin ich plötzlich durchgedreht. Er war einfach viel zu groß.«
    Wieder Schweigen.
    »Ich hab nicht gedacht, dass das Ding die Scheibe einschlägt«, fügte er leiser hinzu und sah weg. »Wer rechnet denn damit, dass ein Truthahn ein Fenster zerdeppern kann?«
    Er schaute Raphie so verzweifelt an, dass dieser, obwohl die Lage so ernst war, unwillkürlich grinsen musste. Der Junge hatte wirklich Pech gehabt.
    »Ich wollte ihnen doch
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