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Zeig keine Angst!

Zeig keine Angst!

Titel: Zeig keine Angst!
Autoren: Tim Bowler
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hinausgegangen. Vielleicht um eine Zigarettenpause zu machen oder was weiß ich. Es war immer noch tiefe Nacht. Sie rechneten offenbar nicht damit, dass ich ausbrechen könnte. Sie ließen mich in dem Zimmer zurück und schlossen nur die Tür ab. Vermutlich wollten sie zurückkommen, aber ich sah sie nicht, als ich es schließlich runter ins Erdgeschoss schaffte.«
    Â»Was haben Sie dann gemacht?«
    Â»Ich bin weggelaufen. Na ja, so schnell, wie eine kranke alte Frau eben laufen kann.«
    Â»Zur Polizei?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    Â»Ich konnte ja nicht beweisen, wer es war. Ich hatte die Gesichter meiner Entführer nicht gesehen und kannte ihre Namen nicht. Und ich hatte nichts Konkretes gegen Luisa und ihren Mann in der Hand. Ich hätte nur aussagen können, dass ein paar Männer, die ich nicht identifizieren konnte, versucht hatten, mich zu zwingen, mein Testament zugunsten meiner Schwester zu ändern. Ich wusste, dass ich diese Behauptung nicht belegen konnte. Und ich wusste auch, dass Luisa erneut versuchen würde, mich einzuschüchtern.«
    Â»Deshalb sind sie hierhergekommen, in diese Stadt.«
    Â»Ja. Weil ich nicht mehr lange zu leben habe. Ich wollte nur noch Jacob finden und Luisas Schlägern entkommen. Das Testament ist sicher aufbewahrt. Jacob wird den Bauernhof erben.«
    Â»Wird Luisa es bei ihm dann nicht auch versuchen?«
    Â»Was? Du meinst, ihn zu überreden oder einzuschüchtern?«
    Â»Ja.«
    Â»Nein, denn das würde ihr nicht gelingen. Jacob hat keine Angst vor ihr. Er hat vor niemandem Angst. Er verachtet Luisa, erst recht nach dem, was passiert ist. Er wird den Bauernhof sonst wem auf der Welt hinterlassen, aber ihr bestimmt nicht. Und das weiß sie.«
    Nach einer Pause fährt Mary fort.
    Â»Aber während dieses ganze Drama ablief, war Jacob völlig ahnungslos. Und ich wollte ihm unbedingt alles erzählen und meine letzten Tage mit ihm verbringen. Er ist alles, was mir noch geblieben ist.«
    Sie sieht mich kurz merkwürdig an.
    Â»Na ja, nicht ganz.«
    Ich bin mir nicht sicher, was sie damit meint.
    Sie streichelt wieder meine Hand.
    Â»Ich habe mich strafbar gemacht«, sagt sie. »Ich habe die Polizei irregeführt, indem ich einen falschen Namen und eine falsche Adresse angab. Und ich habe ohne Erlaubnis den Bungalow fremder Leute benutzt. Aber die Sache ist die … Ich habe nicht mehr viel Zeit. Und ich will meine kostbaren letzten Stunden nicht irgendwelchen Polizisten opfern, die mit mir reden wollen. Ich möchte sie mit Jacob verbringen.«
    Wieder sieht sie mich so merkwürdig an.
    Â»Obwohl es so aussieht, als wäre es mir bestimmt, etwas von meiner restlichen Zeit mit dir zu verbringen«, fügt sie hinzu.
    Â»Das tut mir leid«, sage ich.
    Â»Mir nicht«, antwortet sie.
    Stille. Ich fühle mich irgendwie unbehaglich. Sie sagt nichts. Also spreche ich.
    Â»Wie kamen Sie zu Ihrem Bauernhof zurück, nachdem sie aus dem Haus ausgebrochen waren?«
    Â»Wie schon gesagt, ich bin gelaufen. Zum Glück war es nicht allzu weit. Auf dem Bauernhof war niemand, als ich dort ankam, aber ich wusste, dass mir nicht viel Zeit blieb, bis sie mich dort suchten. Ich wusch mir schnell das Gesicht, zog mich um und holte die alte Waffe meines Vaters aus der Schublade.«
    Sie nimmt die Knarre in die Hand und betrachtet sie.
    Â»Er benutzte sie nur, um Krähen zu verscheuchen. Er schoss mit Platzpatronen in die Luft.«
    Sie legt das Ding wieder weg.
    Â»Ich steckte die Waffe und ein paar Platzpatronen ein, suchte schnell noch ein paar persönliche Sachen zusammen und verschwand. Ich hob vom Bankautomaten in unserem Städtchen den Höchstbetrag ab und eilte zum Hafen, um die Fähre nach England noch zu erwischen. Seither habe ich kein Geld mehr abgehoben. Ich will keine Spuren hinterlassen.«
    Sie fröstelt.
    Â»Denn ich sage dir, solange ich noch am Leben bin, wird Luisa die Suche nicht aufgeben. Sie weiß nicht, dass ich bei Jacob bin. Aber selbst wenn sie das ahnt, wird sie weitersuchen. Erinnerst du dich an die drei brutalen Kerle, die in den Bungalow einbrachen?«
    Â»Klar.«
    Â»Ich dachte zuerst, das wären Luisas Schläger. Ich kam gar nicht auf den Gedanken, dass sie hinter dir her sein könnten.«
    Wenn ich das bloß gewusst hätte, Bigeyes. Verdammt, ich hätte ihr helfen können. Ich hätte ihr helfen sollen. Warum habe ich das nicht
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