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Zaubersommer in Friday Harbor

Zaubersommer in Friday Harbor

Titel: Zaubersommer in Friday Harbor
Autoren: Lisa Kleypas
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würde, den es brauchte, und darin zum Leben
erwachen würde – so wie Blumen, die in den Ritzen zwischen Gehwegplatten
wuchsen.
    „Ich habe
dir doch gesagt, du sollst nichts anfassen. Du hättest dir die Finger
aufschneiden können.”
    „Tut mir
leid, Mommy.” Lucy griff nach dem Buch auf ihrem Nachttischchen und
schlug es blind auf, starrte auf die Seiten, ohne etwas zu sehen.
    Sie hörte
ihre Mutter seufzen. „Lucy, du musst geduldiger mit deiner kleinen Schwester
sein.”
    „Ich
weiß.”
    „Sie ist
immer noch sehr empfindlich nach allem, was sie durchgemacht hat.”
    Lucy hob
den Blick nicht von dem Buch in ihren Händen und schwieg beharrlich, während
sie darauf wartete, dass ihre Mutter endlich das Zimmer verließ.
    Nach einem
flüchtigen Abendessen, bei dem nur Alice mit ihrem Geplapper das Schweigen
übertönte, half Lucy, den Tisch abzuräumen. In ihrem Kopf jagten sich
verwirrende Gedanken. Es hatte den Anschein, als seien ihre Gefühle so übermächtig
gewesen, dass sie dem Glas eine neue Form gegeben hatten. Hatte das Glas
vielleicht versucht, ihr etwas zu sagen?
    Sie ging in
das Arbeitszimmer ihres Vaters. Der hatte gerade den Telefonhörer in der Hand
und wählte. Er mochte es nicht, bei der Arbeit gestört zu werden, aber sie
musste ihn etwas fragen. „Daddy”, sprach sie ihn zögernd an.
    Daran, wie
seine Schultern sich anspannten, erkannte sie, dass die Störung ihn ärgerte.
Aber seine Stimme klang freundlich, als er den Hörer wieder auflegte und
antwortete. „Ja, Lucy, was ist denn?”
    „Was hat es
zu bedeuten, wenn man ein Glühwürmchen sieht?”
    „Ich
fürchte, hier in Washington bekommst du keine Glühwürmchen zu sehen. So weit
im Norden gibt es die nicht.”
    „Ja, aber
was haben sie zu bedeuten?”
    „Du meinst
ihre symbolische Bedeutung?” Er dachte einen Moment nach. „Bei Tageslicht
ist das Glühwürmchen ein unauffälliges Insekt. Du wüsstest nicht einmal, was
du da siehst, würdest es für einen ganz normalen Käfer halten. Aber bei Nacht
leuchten die Glühwürmchen. Sie haben ihre eigene Lichtquelle. Bei Dunkelheit
zeigt sich ihre schönste Gabe.” Er lächelte, als er Lucys hingerissenen
Gesichtsausdruck sah. „Das ist eine außergewöhnliche Fähigkeit für ein so unscheinbar
aussehendes Lebewesen, findest du nicht?”
    Von da an
geschahen Wunder, wenn Lucy sie am dringendsten brauchte. Und manchmal leider
auch, wenn sie sich das am allerwenigsten wünschte.

Kapitel 2

    s fällt mir schwer, jemandem zu vertrauen”, hatte
Lucy Kevin gestanden, kurz nachdem sie einander kennengelernt hatten. Er hatte
sie in die Arme genommen und ihr zugeflüstert: „Mir kannst du vertrauen.”
    Jetzt lebte
sie schon seit zwei Jahren mit Kevin Pearson zusammen und glaubte immer noch
nicht recht an ihr Glück. Er war alles, was sie sich hätte wünschen können. Ein
Mann, der wusste, wie wichtig und bedeutungsvoll kleine Gesten waren. Eines
Tages hatte er Lucys Lieblingsblumen in den Vorgarten des Hauses gepflanzt, in
dem sie gemeinsam wohnten. Manchmal rief er sie mitten am Tag an, ohne dass es
dafür einen Grund gab. Er war ein geselliger Mensch und lotste Lucy oft aus ihrer
Werkstatt, um mit ihr auf eine Party zu gehen oder sich mit Freunden zum Essen zu
treffen.
    Die
Besessenheit, mit der sie ihrer Arbeit nachging, hatte in ihren früheren
Beziehungen für Probleme gesorgt. Obwohl sie viele verschiedene Dinge
anfertigte – Mosaiken, Lampenschirme und sogar kleinere Möbelstücke –,
arbeitete sie am allerliebsten an Buntglasfenstern.
    Lucy hatte
nie einen Mann gefunden, der sie auch nur halb so sehr faszinierte wie ihre
Arbeit. Infolgedessen war sie eine bedeutend bessere Künstlerin als Partnerin.
Mit Kevin hatte sich das geändert. Er hatte Lucy Sinnlichkeit und Vertrauen
gelehrt, und sie hatten Augenblicke miteinander erlebt, in denen Lucy sich ihm
näher fühlte als jemals einem Menschen zuvor. Und dennoch gab es immer noch
eine winzige, aber unüberbrückbare Distanz zwischen ihnen, die es ihnen
unmöglich machte, die grundlegenden Wahrheiten des jeweils anderen zu erkennen.
    Durch das
halb geöffnete Fenster der umgebauten Garage drang eine kühle Brise, die trotz
des trügerischen Sonnenscheins daran erinnerte, dass erst April war. Lucy
hatte in ihrem Kunstatelier
alle Werkzeuge, die sie brauchte: einen Leuchttisch, auf dem sie Teile
zuschneiden und arrangieren konnte, eine Lötstation, Regale für Glasscheiben,
einen Schmelzofen. Draußen vor dem Eingang hing ein
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