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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Autoren: Robin Hobb
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die Schätze, die sie ausgraben und verkaufen. Sie sind kein bisschen besser als die Piraten, die die Innere Passage verseuchen. Entsprechend sollte man mit ihnen verfahren!«
    Malta hatte noch genug Luft, um ihrer Verachtung Ausdruck zu verleihen. »Ihr seid wohl kaum in der Lage, irgendjemandem zu drohen! In Wirklichkeit seid Ihr von ihrem guten Willen weit abhängiger als sie von Eurem. Wie einfach wäre es für sie, Euch an den Meistbietenden zu verschachern, ganz gleich, ob der Euch ermordet, Euch als Geisel festhält oder Euch wieder auf Euren Thron setzt! Und was die Rechte der Landnahme angeht: Sie wurden von Händlern direkt vom Satrapen Esclepius verliehen, Eurem Vorfahr. Die Original-Charta für die Bingtown-Händler schreibt nur vor, wie viele Leffer Land jeder Siedler beanspruchen darf, nicht, wo das Land liegt. Die Regenwildhändler haben ihr Anrecht hier geltend gemacht, die Bingtown-Händler ihres in der Bucht von Bingtown. Diese Rechte sind sowohl uralt als auch vollkommen ehrenhaft, und sie sind nach jamaillianischem Recht dokumentiert. Im Gegensatz zu denen der Neuen Händler, die Ihr uns einfach aufgebürdet habt!«
    Nach ihren Worten herrschte einen Augenblick schockiertes Schweigen. Dann lachte der Satrap gezwungen. »Wie amüsant, dass Ihr sie verteidigt! Was seid Ihr doch für ein dummer Bauerntrampel. Seht Euch doch an, in Euren Lumpen und dreckverschmiert. Euer Gesicht ist auf immer von diesen Aufständischen entstellt worden! Und trotzdem verteidigt Ihr sie! Und warum? Lasst mich raten. Wahrscheinlich wisst Ihr, dass ein richtiger Mann Euch niemals wieder begehren würde. Eure einzige Hoffnung ist, in eine Familie einheiraten zu können, deren Angehörige genauso missgestaltet sind, wie Ihr es seid.
    Dann könnt Ihr Euch hinter einem Schleier verbergen, damit niemand Euren schrecklichen Anblick ertragen muss! Erbärmlich! Wären diese Aktionen der Rebellen nicht gewesen, hätte ich Euch vielleicht sogar als Gefährtin auserkoren. Davad Restate hat gut von Euch gesprochen, und ich fand Eure unbeholfenen Bemühungen, zu tanzen und Konversation zu betreiben, liebenswert provinziell. Aber jetzt? Pfui!«
    Das Boot wiegte sich kaum merklich, als er eine verächtliche Handbewegung machte. »Es gibt kaum etwas Perverseres als eine einstmals schöne Frau, deren Gesicht entstellt ist. Die besseren Familien von Jamaillia würden Euch nicht einmal als Sklavin im Haushalt beschäftigen. Eine solche Disharmonie hat in einem aristokratischen Haus nichts zu suchen.«
    Malta gelang es mit eiserner Selbstbeherrschung, nicht zu ihm zurückzublicken, aber sie konnte sich vorstellen, wie seine Lippen sich verächtlich verzogen. Trotzdem gelang es ihr nicht, wütend über seine Arroganz zu sein. Der Satrap war nichts weiter als ein unwissender, eitler, jungenhafter Geck.
    Aber sie hatte ihr eigenes Gesicht nicht mehr gesehen, seit sich die Kutsche in dieser Nacht überschlagen hatte und sie beinahe gestorben wäre. Während ihrer Rekonvaleszenz in Trehaug hatte man ihr keinen Spiegel gegeben. Ihre Mutter und auch Reyn hatten die Verletzungen in ihrem Gesicht heruntergespielt. Das ist ja auch klar, flüsterte ihr verräterisches Herz ihr ein. Das mussten sie tun, deine Mutter, weil sie eben deine Mutter ist, und Reyn, weil er sich für den Unfall verantwortlich fühlt. Wie schlimm war diese Narbe? Der Schnitt auf ihrer Stirn hatte sich unter ihren tastenden Fingern lang und zackig angefühlt. Jetzt fragte sie sich, ob er ihre Stirn in Falten legte oder ihr Gesicht vielleicht verzerrte. Sie umklammerte die Planke fest mit beiden Händen, während sie ruderte. Absetzen wollte sie sie nicht, denn sie würde dem Satrapen nicht die Genugtuung geben, mit den Fingern ihre Narbe abzutasten. Sie presste die Zähne zusammen und paddelte weiter.
    Nach einem Dutzend Schlägen gewann der kleine Kahn plötzlich an Geschwindigkeit. Er ruckte ein kleines Stück zur Seite und drehte sich einmal um sich selbst, als Malta ihre Planke ins Wasser steckte und verzweifelt versuchte, das kleine Boot wieder ins flachere Wasser zurückzusteuern. Sie ruderte mit ihrem provisorischen Paddel und hob dann die andere Planke vom Boden des Kahns hoch. »Ihr müsst steuern, während ich paddele«, befahl sie dem Satrapen atemlos. »Sonst werden wir in die Mitte des Flusses getrieben.«
    Er musterte die Planke, die sie ihm hinhielt. »Steuern?«, fragte er und nahm das Stück Holz zögernd entgegen.
    Malta bemühte sich, ruhig zu antworten.
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