Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
langsam voran. Ihr tat der Kopf weh, doch am schlimmsten war die Wunde auf ihrer Stirn. Sie heilte, aber warum musste sie immer dann am übelsten jucken, wenn sie keine Hand frei hatte, um sich zu kratzen?
    Sie manövrierte die winzige Nussschale zwischen den gewaltigen Stämmen und dem Wurzelgeflecht der Bäume hindurch, welche die Ufer des Regenwildflusses säumten. Unter dem Baldachin des Regenwildwaldes wirkten der Nachthimmel und seine Sterne wie ein Mythos, den man nur selten zu Gesicht bekam. Aber zwischen den Stämmen und Zweigen lockte sie ein unstetes Funkeln immer weiter. Es waren die Lichter der Stadt in den Bäumen. Trehaug. Ein Leuchtzeichen, das Wärme und Sicherheit verhieß – und vor allem Ruhe. Um sie herum herrschte tiefste Dunkelheit, aber die Rufe der Vögel hoch oben in den Zweigen verrieten ihr, dass im Osten die Sonne bereits den Himmel aufhellen musste. Allerdings würde ihr Licht den Blätterwald erst später durchdringen, und auch dann würden nur einige wenige Strahlen die Düsternis aufhellen. Wo der Fluss sich einen Pfad durch die dicken Bäume bahnte, glänzte dann sein breites Band silbrig im Tageslicht.
    Das Ruderboot verfing sich mit dem Bug plötzlich in einer verborgenen Wurzel. Malta biss sich auf die Lippen, um nicht frustriert aufzuschreien. Sich mit dem Kahn einen Weg durch diese bewaldeten Untiefen zu bahnen, glich einem Herumirren durch ein Labyrinth. Immer wieder hatten Äste und Grünzeug, das auf dem Wasser trieb, oder unter der Wasseroberfläche verborgene Wurzeln sie von ihrem ursprünglichen Kurs abgebracht. Aber das schwache Licht vor ihnen schien mittlerweile nicht mehr ganz so weit weg zu sein wie noch bei ihrem Aufbruch. Malta verlagerte ihr Gewicht und beugte sich über die Seite. Sie drückte mit der Planke gegen das Hindernis. Ächzend schob sie das Boot frei. Dann ruderte sie um das Hindernis herum.
    »Warum paddelt Ihr uns nicht dorthin, wo die Bäume nicht so dicht stehen?«, wollte der Satrap wissen. Der ehemalige Herrscher von ganz Jamaillia hockte im Heck und hatte die Knie fast bis ans Kinn hochgezogen. Seine Gefährtin Kekki kauerte sich furchtsam im Bug zusammen. Malta machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen. »Wenn Ihr eine Planke nehmt und mitrudert oder steuert, dann könnt Ihr auch mitreden, in welche Richtung wir fahren. Ansonsten haltet die Klappe.«
    Sie hatte die gebieterische Haltung dieses kindischen Satrapen und seine vollkommene Nutzlosigkeit in praktischen Belangen satt.
    »Jeder Dummkopf sieht doch, dass es dort weniger Hindernisse gibt. Wir kämen viel schneller voran.«
    »Oh, sicher, sehr viel schneller«, stimmte Malta ihm sarkastisch zu. »Vor allem, wenn die Strömung uns packt und in die Mitte des Flusses zieht.«
    Der Satrap holte gereizt Luft. »Da wir oberhalb der Stadt sind, dürfte die Strömung uns wohl eher von Nutzen sein. Wir könnten uns ihrer bedienen und uns von ihr dorthin tragen lassen, wo ich hin will. Und zwar erheblich schneller.«
    »Wir könnten auch vollkommen die Kontrolle über dieses Boot verlieren und an der Stadt vorbei treiben.«
    »Ist es denn noch weit?«, jammerte Kekki kläglich.
    »Das seht Ihr doch genauso gut wie ich«, erwiderte Malta.
    Ein Tropfen des Flusswassers fiel auf ihr Knie, als sie das Paddel auf die andere Seite hob. Erst kitzelte es, dann juckte und brannte es. Sie tupfte die Stelle mit dem zerrissenen Saum ihres Kleides ab. Der Stoff hinterließ einen schmutzigen Fleck. Er war von ihrem langen Herumgeirre durch die Säle und Korridore der versunkenen Stadt der Altvorderen ruiniert. Es war so viel passiert, dass es ihr vorkam, als wären seitdem schon tausend Nächte verstrichen, obwohl es erst letzte Nacht passiert war. Als sie versuchte, sich daran zu erinnern, überschlugen sich ihre Gedanken. Sie war in die Tunnel gestiegen, um sich der Drachenkönigin zu stellen, damit sie Reyn in Frieden ließ.
    Aber dann hatte die Erde gebebt, und als sie das Drachenweibchen gefunden hatte… An diesem Punkt verwirrte sich ihre Erinnerung hoffnungslos. Das Drachenweibchen in ihrem Kokon aus Holz hatte Maltas Verstand für alle Erinnerungen geöffnet, die in dieser Kammer der Stadt verborgen waren. Sie war von dem Leben der Wesen überschwemmt worden, die hier gelebt hatten, war in ihren Erinnerungen beinahe ertrunken. Von dem Moment an bis zu dem Augenblick, als sie den Satrapen und seine Gefährtin aus dem verborgenen Labyrinth hinausgeführt hatte, war ihre Erinnerung undeutlich und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher