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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
Autoren: Robin Hobb
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klatschten heftig, als sie in die Fülle tauchten, erst auf der einen, dann auf der anderen Seite. Als die Kreatur schließlich fast ganz auf der Seite lag, warf sich Kelaro aus der Fülle auf die ungeschützte Seite der Kreatur. Schnell kamen ihm andere Schlangen zu Hilfe, sowohl rohe als auch vernunftbegabte. Einige packten die steifen Glieder und flatternden Flügel des Geschöpfs. Der Silberne versuchte, sich zurückzurollen, aber es waren zu viele Schlangen. Er konnte sie nicht besiegen. Ihr Gewicht überwältigte ihn und zog ihn unter Wasser. Die Parasiten versuchten, von ihm herunterzuspringen, aber sie endeten ausnahmslos in gierig schnappenden Mäulern.
    »Dein Name!«, wiederholte Maulkin hartnäckig, während sie ihn nach unten zogen. »Nenn uns deinen Namen!«
    Die Kreatur brüllte und gestikulierte heftig, antwortete jedoch nicht. Maulkin stürzte sich auf sie und wand sich um den vorderen Teil des Geschöpfs. Unmittelbar vor dem Gesicht der Kreatur schüttelte er seine Mähne und stieß eine dichte Wolke Gifte aus. »Sprich!«, befahl er. »Erinnere dich für uns. Nenne uns deinen Namen! Wie lautet dein Name?«
    Die Kreatur kämpfte, und ihr winziger Kopf und ihre Vorderglieder zuckten in Maulkins Umklammerung, während ihr unverhältnismäßig großer Körper steif und unnachgiebig blieb. Einige ihrer kleineren Glieder brachen weg, während ihre Flügel nass und schwer wurden. Trotzdem versuchte sie unablässig, zum Rand der Fülle emporzusteigen. Sie konnten sie nicht vollkommen hinabziehen, doch es gelang dem Knäuel mit vereinten Kräften, sie unterhalb der Leere in der Fülle zu halten.
    »Sprich mit uns!«, befahl Maulkin erneut. »Nur ein Wort. Nur deinen Namen, dann lassen wir dich gehen. Suche danach, bemühe dich! Du hast einen Namen. Wir wissen es. Wir können deine Erinnerungen riechen.«
    Sie wehrte sich mit heftigen Faustschlägen gegen den Propheten. Ihr Mund war aufgerissen, als sie Schreie ausstieß, aber sie ergaben keinen Sinn. Unvermittelt wurde sie ganz ruhig. Ihre kleinen, braunen Augen weiteten sich, ihr Mund klaffte noch ein-, zweimal auf. Im nächsten Moment erschlaffte sie in Maulkins Griff. Shreeva klappte die Lider über ihre Augen. Die silbergraue Kreatur war tot. Sie hatten sie getötet, ohne dass es ihnen etwas genützt hätte.
    Doch plötzlich sprach sie. Shreeva widmete ihr augenblicklich ihre ganze Aufmerksamkeit. Die Stimme der Kreatur war dünn, fast körperlos. Ihre pummeligen Vorderglieder versuchten, Maulkins gewaltigen Körper zu umarmen. »Ich war Draquius. Ich existiere nicht mehr. Ich bin ein totes Ding und spreche nur durch den Mund der Erinnerungen.« Ihre Stimme war schrill, schwach und kaum vernehmlich.
    Das Knäuel sammelte sich schweigend und rückte ehrfürchtig näher. Draquius sprach weiter. »Es war die Zeit des Wandels. Wir waren den Fluss weit hinaufgeschwommen, wo der Schlick der Erinnerung fein und reichlich war. Wir spannten unsere Kokons und hüllten uns in die Fäden der Vergangenheit ein. Unsere Eltern labten uns mit dem Schlick der Erinnerung, gaben uns unsere Namen und unser Gedächtnis. Sie wachten über uns, unsere alten Freunde. Sie feierten unter dem blauen Himmel unsere Zeit des Wandels. Sie jubelten uns zu, als wir uns vom Fluss auf die sonnigen Ufer wälzten, damit die Sonne unsere Hüllen trocknen konnte, während wir uns verwandelten. Schicht auf Schicht häuften sie Erinnerungen und Schlick auf uns. Es war eine Zeit der Freude. Unsere Eltern erfüllten den Himmel mit ihren Farben und Liedern. Wir sollten in der kalten Zeit ruhen und erst erwachen, wenn die Tage länger und heißer wurden.« Er schloss die kleinen Augen, als schmerze es ihn, sich zu erinnern, und klammerte sich an Maulkin, als gehöre er zu seinem Knäuel.
    »Plötzlich schien die Welt auf dem Kopf zu stehen. Die Erde schüttelte sich und brach auseinander. Die Berge wurden erschüttert und spien glühendes, rotes Blut. Die Sonne verfinsterte sich. Selbst in unseren Kokons konnten wir fühlen, wie sie schwächer wurde. Heiße Winde wehten über uns, und wir hörten die Schreie unserer Freunde, als sie ihnen die Luft aus den Lungen pressten. Aber selbst in ihrem Untergang vergaßen sie uns nicht. Sie zerrten uns in Sicherheit, damals, vor vielen Zeitaltern. Sie konnten zwar nicht viele von uns retten, aber sie versuchten es. Das muss ich ihnen zugestehen, sie versuchten es. Es dauerte nur eine Weile, versprachen sie. Nur bis der Staub nicht länger herabregnete, bis
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