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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
Autoren: Robin Hobb
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sich, auf die glatte Kristalloberfläche zu kommen. Selden half ihm, so gut er konnte, packte Reyns Handgelenke und zog daran. Schließlich gelang es ihnen mit vereinten Kräften, Reyn auf die Kuppel zu heben.
    Einen Moment blieb er auf dem Bauch liegen und rang nach Luft. Dann ruckte das Kuppelstück und versank tiefer in den Schlamm. Reyn hoffte nur, dass die Luftblase darunter das Einsinken der Kuppel etwas hinauszögerte. Er öffnete die Augen und sah sich um. Selden saß schweigend vor Staunen neben ihm und klammerte sich an ihm fest.
    Der Hexenholzstamm neben ihnen tröpfelte nicht mehr langsam in den Schlamm. Er verflüssigte sich und wurde absorbiert. Jetzt tauchte die zusammengerollte und abgezehrte Gestalt des Drachenweibchens auf, das darin eingebettet gewesen war. Während das Hexenholz sich verflüssigte, schwamm es auf den Drachen zu. Der Sonnenstrahl beleuchtete ein Wunder. Die Haut der Drachenkönigin absorbierte die Flüssigkeit, und ihr Körper schwoll dadurch an. Er veränderte seine Farbe, von Schwarz zu Dunkelblau. Die Knochen, die dünnen Muskeln und die Haut pumpten sich mit Leben voll und wurden prall. Sie rührte sich in den Resten ihres Kokons. Dann drehte sie sich um, und Reyn sah zum ersten Mal ihre Schwingen. Sie waren eng an ihren Rücken gefaltet und sahen aus wie dünne Stöckchen, zwischen denen nasses Papier gespannt war. Mühsam versuchte sie, einen Flügel zu spreizen. Er war fast substanzlos, ein dünner, transparenter Hautlappen, der über schmalen Knochen und Knorpeln gespannt war. Sie hob ihre Schnauze, schnaubte einmal und öffnete dann den Flügel. Er war gewaltig, schlug gegen die Reste des schmelzenden Stammes und gegen den Schlamm, der ihn umgab. Unbeholfen rollte sie sich von der einen Seite auf die andere und versuchte, auf die Füße zu kommen. Sie stützte sich auf ihre Flügel wie auf Krücken, und der Schlamm spritzte auf, als sie versuchte hochzukommen. Ihr langer Hals reckte sich, und blind streckte sie den Kopf ins Sonnenlicht. Ihr Maul war geöffnet, als könnte sie das Licht trinken. Dicke weiße Lider bedeckten ihre Augen, und ihr Kopf schwankte, als sie sich ins Licht reckte. Erneut veränderte sie ihre Position, und ein langer Schwanz kam zum Vorschein, der bisher unter ihr zusammengerollt gewesen war. Die Reste des Hexenholzes verschwanden schnell. Der schwere Schlamm drang bereits in die Lücken vor. Reyn sah hilflos zu. Sie würde eingeschlossen werden, bevor sie jemals geflogen war.
    Doch mit einem Geräusch, als schlüge jemand ein nasses Segel aus, hob sie ihre Schwingen. Sie waren schlammverschmiert. Sie schüttelte sie ungelenk einige Male, und der intensive Geruch nach Reptil wehte über Reyn und Selden hinweg. In der gespannten Membran ihrer Flügel sahen sie kurz die Venen deutlich hervortreten. Dann strömte plötzlich Farbe in sie hinein, als hätte man Farbe in Wasser gegossen. Ihre Flügel veränderten sich, von durchsichtig über durchscheinend zu einem funkelnden, prächtigen Blau. Reyn sah, wie das Drachenweibchen Kraft sammelte, während sie langsam und ungleichmäßig mit den Flügeln schlug. Plötzlich klappte sie die Lider von ihren Augen. Sie schimmerten silbern. Das Drachenweibchen schüttelte sich. »Blau. Nicht silbern, wie ich geträumt habe. Blau.«
    »Du bist wunderschön«, sagte Reyn.
    Sie zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen, drehte den Hals und starrte Reyn und Selden eindringlich an. Selden ging hinter Reyn in Deckung. »Sie wird uns fressen!«, jammerte er.
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte Reyn atemlos. »Aber rühr dich nicht.« Der Junge klebte förmlich an seiner Seite. Reyn schlang langsam einen Arm um Selden, um ihn zu beruhigen. Dabei ließ er die Drachenkönigin nicht aus den Augen. Sie entrollte ihren Schwanz und schnitt dabei einen Pfad durch den Schlamm. Plötzlich hob sie den Kopf und trompetete. Der Laut hallte sowohl in Reyns Ohren als auch in seinem Geist wider. Triumph und Trotz lagen in diesem Schrei, der von den Wänden der Kammer zurückgeworfen wurde.
    Unvermittelt erhob sie sich auf die Hinterbeine und balancierte auf der Wurzel ihres gewaltigen Schwanzes. Reyn sah, wie sie sich duckte, und hielt Selden fest. Mit halb gespreizten Flügeln sprang sie auf den Spalt in der Decke zu. Ihr Kopf rammte gegen die Reste der Kuppel, und sie fiel zurück. Aber mit den Vorderklauen hatte sie kurz an dem Spalt gerissen. Als sie wieder zu Boden sank, regnete ein Teil der Erde und der Wurzeln mit hinunter. Der
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