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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
Autoren: Robin Hobb
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Schulter sinken. Hilflose, stille Schluchzer schüttelten den Jungen. Reyn tätschelte ihn mit seiner schlammigen Hand. »Na, na. Ich denke, wir sollten versuchen, hier herauszukommen.« Die Worte schienen so sinnlos.
    »Wie denn?«, fragte Selden.
    »Zunächst müssen wir den Spalt breiter machen und dich hinausschieben. Dann kletterst du auf den Stamm.« Er zuckte mit den Schultern. »Dann sehen wir weiter. Vermutlich rufen wir um Hilfe.«
    »Und du? Du steckst doch ziemlich tief drin.«
    Reyn versuchte, seine Füße zu heben. Der Junge hatte Recht. Der Schlamm, der in die Kammer gesickert war, hatte sich verfestigt. Von den Schenkeln abwärts steckte er in einer dicken Masse aus Erde und Wasser. Sie zog schwer an seinen Beinen. »Sobald du oben bist, kann ich mich ebenfalls ausgraben. Dann komme ich hoch zu dir auf den Stamm.« Die Lüge kam ihm einfach über die Lippen.
    Selden schüttelte jedoch den Kopf. »Es wird nicht funktionieren, weder für dich noch für mich. Sieh nur. Er schmilzt.«
    Er löste eine schmutzige Hand von Reyns Hals und streckte sie aus.
    Der dünne Sonnenstrahl schien in die dämmrige Kammer. Motten tanzten in seinem Licht. Aber diese Motten drehten und tanzten in einer Dampfwolke, die nach oben stieg. Außerdem stank es bestialisch. »Es riecht wie deine Hände, wenn du mit Gartenschlangen gespielt hast«, bemerkte Selden. »Nur noch stinkiger.«
    Reyn fing an zu buddeln. Nicht, weil er hoffte zu entfliehen, sondern nur, weil er sehen wollte, was passierte. Das dicke Kristallglas der herabgestürzten Kuppel, die sie geschützt hatte, ließ zwar Licht durch, war aber zu schmutzig, als dass er hätte hindurchsehen können. Zu lange hatte er sich mit dem Drachenweibchen beschäftigt, als dass er nicht wenigstens diese letzte Chance ergreifen würde, um ihr Geheimnis zu erfahren. Also wischte er Erde in ihre Höhle, ungeachtet der Tatsache, dass er sich damit immer weiter eingrub. Er vergrößerte die Öffnung, bis er hindurchblicken konnte. Dann starrte er hinaus.
    Die Sonne schien auf die obere Ecke des Hexenholzstamms direkt vor ihm. Er blubberte und schmolz, wie Schaum zerplatzte, den eine Welle an den Strand gespült hatte. Das ergab keinen Sinn. Noch nie hatte Sonnenlicht eine solche Wirkung auf die Hexenholzplanken gehabt, die sie aus der Stadt gebracht hatten. Lebensschiffe schmolzen nicht in der Sonne.
    »Weil Lebensschiffe tot sind« , flüsterte eine Stimme in seinem Kopf, »ich bin nicht tot. Ich lebe.«
    Es ging nicht schnell. Je höher die Sonne stieg, desto weiter glitt der Lichtstrahl über das Hexenholz. Als die Sonne weit oben am Himmel stand und ihre Kraft am stärksten war, beschleunigte sich der Prozess. Das Holz schimmerte wie dampfender Brei. Und der Gestank nach Reptil wurde stärker.
    Den Jungen langweilte es bald, das Phänomen zu beobachten. Er war hungrig, durstig, müde, und ihm war kalt. Reyn ging es genauso, aber irgendwie spielte es keine Rolle. Maltas Tod hatte seinen Selbsterhaltungsinstinkt betäubt. Er sah kaum eine Chance, dass sie überleben konnten. Es kostete ihn viel Mühe zu reagieren, aber das Schmelzen des Hexenholzes zwang ihn schließlich dazu. Als der gewaltige Stamm schließlich in sich zusammenfiel, neigte sich auch das Kuppelstück allmählich tiefer. Da Selden und er sich darunter befanden, mussten sie entweder reagieren, oder sie würden jeden Moment ertrinken.
    Er hob den Jungen höher, und Selden drehte sich in seinen Armen, sodass er auf dem Rücken lag, als Reyn ihn aus dem Spalt schleuderte, der immer enger wurde. Selden griff nach oben und erwischte den zerborstenen Rand des Kuppelstücks. Er zog sich darunter hervor. Dann drehte er sich auf den Bauch, wälzte sich durch den Schlamm und kletterte schließlich auf die Glaskuppel. Jetzt war Reyn an der Reihe. Er musste sich beeilen, denn das Gewicht des Jungen drückte die Kuppel noch schneller in die Erde. Reyn grub mit Händen und Armen im Schlamm wie eine Meeresschildkröte, die sich ein Nest im Sand baut. Er fühlte, wie seine Füße aus den Stiefeln glitten. Er löste die Schnalle des Werkzeuggürtels und befreite sich davon. Mühsam krabbelte und wälzte er sich unter dem gebogenen Rand der Kristallkuppel hindurch. Er musste sogar sein Gesicht in den Schlamm drücken, aber schließlich schaffte er es. Sobald er unter dem Kuppelstück heraus war, drehte er sich um und kroch über den Schlamm zurück. Er musste sich winden und drehen, damit er oben blieb. Schließlich bemühte er
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