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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
Autoren: Robin Hobb
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nicht, sie zu öffnen.
    Der Mann auf dem Bett rührte sich nicht.
    Wintrow stellte das Becken mit dem Wasser und die Lappen, die er gerettet hatte, auf Gantrys aufgebrochenen Schreibtisch und drehte sich zu dem Mann um. Er legte ihm die Finger an den Pulspunkt an seinem Hals und spürte, wie sein Vater bei der Berührung wieder zu sich kam. Er zuckte mit einem unverständlichen Laut vor ihm zurück und setzte sich hastig auf.
    »Ist schon gut«, sagte Wintrow beruhigend. »Ich bin es nur.«
    Sein Vater entblößte seine Zähne in der Persiflage eines Lächelns. »Du bist es nur«, meinte er zustimmend. »Aber ich wette, dass es nicht gut ist.«
    Alt, dachte Wintrow. Er sah plötzlich alt aus. Seine Wangen waren unrasiert und mit Blut von seiner Kopfverletzung verschmiert. Er war hierher gekommen, um die Wunden seines Vaters zu säubern und zu verbinden. Jetzt jedoch zögerte er merkwürdigerweise, den Mann überhaupt zu berühren. Es war kein Ekel vor dem Blut, und er war sich auch nicht zu fein für solche Aufgaben. Er zögerte, den Mann zu berühren, weil es sein Vater war. Und eine Berührung könnte diese Verbindung bestätigen.
    Wintrow stellte sich seinen Gefühlen. Er wünschte sich von ganzem Herzen, dass er kein Band zu diesem Mann empfände.
    »Ich habe etwas Waschwasser mitgebracht«, sagte er. »Nicht viel. Frisches Wasser ist im Augenblick rar. Bist du hungrig? Soll ich dir Zwieback bringen? Es ist so ziemlich das Einzige, was es noch gibt.«
    »Mir geht es gut«, erwiderte sein Vater, ohne auf seine Frage einzugehen. »Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Du musst dich im Augenblick um wichtigere Freunde kümmern.«
    Wintrow ignorierte diese Bemerkung. »Kennit schläft. Wenn ich eine Chance haben will, ihn zu heilen, braucht er Ruhe.«
    »Aha. Du machst es also tatsächlich. Du willst den Mann heilen, der dir dein Schiff weggenommen hat.«
    »Um dich am Leben zu erhalten, ja.«
    Sein Vater schnaubte verächtlich. »Unsinn! Du würdest es auch dann tun, wenn er mich an diese Seeschlange verfüttert hätte. Das tust du immer. Du kuschst vor dem, der die Macht hat.«
    Wintrow versuchte objektiv zu sein. »Vermutlich hast du Recht. Aber nicht, weil er die Macht hat. Es hat nichts damit zu tun, wer er ist. Es ist das Leben, Vater. Sas Leben. Solange Leben existiert, gibt es immer die Chance, es zu verbessern. Als Priester habe ich die Pflicht, Leben zu schützen. Selbst seins.«
    Sein Vater lachte bitter. »Selbst meines, meinst du wohl!«
    Wintrow nickte knapp.
    Er drehte seinen Kopf mit der verletzten Seite seinem Sohn zu.
    »Dann fang damit an, Priester. Wenn du nur dafür gut bist.«
    Darauf reagierte Wintrow nicht. »Ich möchte erst deine Rippen untersuchen.«
    »Wie du willst.«
    Sein Vater zog die Reste seines Hemds aus.
    Seine linke Seite war schwarz und blau angelaufen. Die Lappen und das Wasser waren die einzigen Hilfsmittel, über die Wintrow verfügte. Der Medizinkasten des Schiffes war verschwunden.
    Vorsichtig versuchte er, die Rippen zu verbinden, um sie wenigstens zu stützen. Sein Vater schnappte bei der Berührung nach Luft, zuckte aber nicht zurück. Als Wintrow den letzten Knoten geknüpft hatte, sprach Kyle Haven.
    »Du hasst mich, Junge, stimmt’s?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Wintrow tauchte den Lappen ein und wischte ihm das Blut aus dem Gesicht.
    »Ich schon«, erwiderte sein Vater nach einem Moment. »Ich sehe es in deinem Gesicht. Du erträgst es nicht einmal, in diesem Zimmer mit mir zu sein, geschweige denn mich anzufassen.«
    »Du hast versucht, mich umzubringen.«, hörte Wmtrow sich ruhig sagen.
    »Ja. Das habe ich.«
    Sein Vater lachte auf und stöhnte dann vor Schmerzen. »Ich will verdammt sein, wenn ich weiß, warum.
    Aber in dem Moment kam mir das wie eine gute Idee vor.«
    Wintrow merkte, dass er keine weiteren Erklärungen bekommen würde. Vielleicht wollte er auch gar keine. Er hatte es satt zu versuchen, seinen Vater zu verstehen. Er wollte ihn nicht hassen. Er wollte gar nichts für ihn empfinden.
    Irgendwie wünschte er, dass sein Vater in seinem Leben keine Rolle gespielt hätte. »Warum musste es sich so entwickeln?«, fragte er laut.
    »Du hast es so entschieden«, versicherte ihm Kyle Haven. »Es hätte nicht so laufen müssen. Wenn du einfach versucht hättest, es auf meine Weise zu machen… Wenn du getan hättest, was man dir sagte, ohne viel zu fragen, dann würde es uns jetzt allen gut gehen. Hättest du nicht einmal darauf vertrauen können, dass jemand
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