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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
Autoren: Robin Hobb
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waren ineinandergelaufen. Die Sole hatte die Messingverschlüsse aufquellen lassen, die ihn sicherten, und auch die Lederbänder, die hindurchliefen. Kennit zertrennte mit seinem Messer den Saum. In dem Beutel lag ein Wurf junger Kätzchen. Sie waren perfekt ausgebildet, hatten lange Klauen und schillernde Flecken hinter den Ohren. Sie waren tot, alle sechs. Kennit unterdrückte seinen Ekel, nahm das kleinste hoch und drehte den schlaffen Körper in seinen Händen. Das Tier hatte ein blaues Fell, ein tiefes, kühles Blau, und rosafarbene Augenlider.
    Es war klein. Wahrscheinlich das Kleinste des Wurfs. Es war durchnässt, kalt und widerlich. Ein Ohrring mit einem Rubin saß wie eine fette Zecke auf einem der nassen Ohren. Am liebsten hätte Kennit es einfach fallen lassen. Lächerlich. Er riss den Ohrring herunter und ließ ihn in seine Tasche fallen. Aus einem Impuls heraus, den Kennit nicht verstand, verstaute er die kleinen blauen Leichen wieder in dem Beutel, ließ sie neben der Wasserlinie liegen und ging weiter.

    Bewunderung strömte wie Blut durch seine Adern. Baum. Rinde und Saft, der Duft von Holz und die Blätter, die über ihm rauschten. Baum. Aber auch Erde und Wasser, Luft und Licht, all das kam und ging durch das Wesen, das man als Baum kannte. Er bewegte sich mit ihnen, glitt in die Existenz von Rinde, Blättern und Wurzeln, von Luft und Wasser hinein und wieder hinaus.
    »Wintrow.«
    Der Junge löste langsam den Blick von dem Baum vor sich und zwang sich dazu, ihn auf das lächelnde Gesicht des jungen Priesters zu konzentrieren. Berandol nickte aufmunternd.
    Wintrow schloss einen Moment die Augen, hielt den Atem an und riss sich von seiner Aufgabe los. Als er seine Lider wieder aufschlug, schnappte er nach Luft, als steige er soeben aus einer großen Tiefe herauf. Die Lichtreflexe, das süße Wasser und der sanfte Wind verblassten unvermittelt. Er war wieder im Werkraum des Klosters, einer kühlen Halle mit gemauerten Wänden und steinernem Boden. Letzterer fühlte sich unter seinen nackten Füßen kalt an. In dem Raum standen mehrere massive Tische. An dreien arbeiteten Jungen wie er selbst. Sie waren ebenso langsam. Ihre traumhaften Bewegungen verrieten ihren Trancezustand. Einer flocht einen Korb, und die beiden anderen formten mit ihren nassen, grauen Händen Lehm.
    Er blickte auf die bunten Glasstücke und das Blei auf dem Tisch vor sich. Die Schönheit des bunten Glasbildes, das er zusammengefügt hatte, erstaunte ihn selbst, und dennoch kam es nicht an das Wunder heran, der Baum gewesen zu sein. Er berührte es mit den Fingern, strich über den Stamm und die elegant geschwungenen Äste. Das Bild zu liebkosen war, wie seinen eigenen Köper zu berühren; so gut kannte er es. Er hörte, wie Berandol leise nach Luft schnappte. In dem Zustand seiner verschärften Wahrnehmung spürte er, wie die Bewunderung des Priesters sich mit seiner vereinte. Eine Weile standen sie schweigend da und weideten sich an dem Wunder von Sa.
    »Wintrow«, wiederholte der Priester leise. Er streckte die Hand aus und zeichnete mit dem Finger den Umriss des winzigen Drachens nach, der zwischen den oberen Zweigen des Baumes hervorlugte, dann berührte er den glänzenden Schwung des Schlangenkörpers, der von den verzweigten Ästen beinahe verborgen wurde. Er legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und drehte ihn mit sanftem Druck vom Arbeitstisch weg. Als er ihn aus dem Werkraum führte, tadelte er ihn freundlich. »Du bist noch zu jung, um einen ganzen Morgen in einem solchem Zustand zu verweilen. Du musst lernen, das Tempo zu regulieren.«
    Wintrow rieb sich mit den Knöcheln die Augen, in denen plötzlich Sand zu sein schien. »War ich den ganzen Morgen da drin?«, fragte er benommen. »Es kam mir gar nicht so vor, Berandol.«
    »Davon bin ich überzeugt. Aber ich bin auch sicher, dass die Müdigkeit, die du jetzt empfindest, dich vergewissert, dass es so ist. Man muss vorsichtig sein, Wintrow. Morgen bittest du einen Aufpasser, dich am Vormittag aufzurütteln. Das Talent, das du besitzt, ist zu kostbar, um es ausbrennen zu lassen.«
    »Jetzt spüre ich den Schmerz«, gab Wintrow zu. Er strich sich über die Stirn, schob sich das dünne schwarze Haar aus den Augen und lächelte. »Aber der Baum war es wert, Berandol.«
    Berandol nickte langsam. »In mehr als einer Hinsicht. Der Verkauf eines solchen Fensters wird genug Geld einbringen, um das Dach des Novizenschlafsaals neu zu decken. Wenn Mutter Dellity es über
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