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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag
Autoren: Petros Markaris
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Erstens, weil Sie es aufgrund Ihrer
Fähigkeiten verdienen. Sie sind ein erfahrener Kriminalist und in schwierigen
Situationen erprobt.«
    »Ich danke Ihnen«, würge ich hervor.
    »Ich bin mir aber nicht so sicher, ob Sie es aufgrund Ihrer
Denkweise verdienen.«
    »Aha?« Zuckerbrot und Peitsche, der gute alte Gikas.
    »Sehr oft setzen Sie einfach Ihren Kopf durch und kümmern sich nicht
um das Porzellan, das Sie dabei zerschlagen. Aufsteiger sind wendig und
geschmeidig wie Katzen, Kostas, keine trampeligen Elefanten. Sie dürfen das
nicht auf die leichte Schulter nehmen. Dabei liegt nämlich nicht nur Ihr Name
auf der Waagschale. Sie müssen sich absolut korrekt verhalten, bis die Anträge
auf Beförderung durch sind. Passen Sie auf, dass Sie keinen Mist bauen! Sonst
verpassen Sie diese einmalige Gelegenheit, und darüber hinaus stellen Sie auch
mich bloß. Ist Ihnen das klar?«
    »Ja, und vielen Dank.«
    »Ihre Dankbarkeit bezeugen Sie mir am besten, indem Sie sich an
meine Worte halten.«
    Ich überlege, ob es mir denn gefallen würde, tagein, tagaus an
meinem Schreibtisch Akten abzuarbeiten. Denn der neue Posten wäre rein
administrativ. Dann überschlage ich die Gehaltserhöhung und verdränge den
Gedanken an die anfallende Büroarbeit. Zumindest würde ich die letztjährige
Lohnkürzung ausgleichen. Solange die Leute einander [20]  nicht umbringen, kann
ich ja wohl kaum Mist bauen, wie Gikas befürchtet. Sieh einer an – was für
Vlassopoulos vorhin noch »ein Pech« war, hat sich plötzlich in einen Glücksfall
verwandelt, denke ich mir, während ich mit dem Fahrstuhl zu meinem Büro
hinunterfahre.

[21]  3
    Während der ganzen Heimfahrt geht mir die Frage nicht aus
dem Kopf, ob ich Adriani die frohe Botschaft schon mal verkünden oder zumindest
andeuten soll. Seit einem Jahr müssen wir mit weniger Geld auskommen. Adriani
kommt zwar ganz gut damit zurecht, ja sie zweigt sogar noch etwas für Katerinas
Haushaltsgeld ab. Aber über eine Beförderung würde sie sich dennoch freuen,
dann muss sie nicht mehr jeden Cent dreimal umdrehen, und sie steht nicht mehr
so unter Druck. Obwohl sie es nicht zugibt, lebt sie in der ständigen Angst vor
weiteren Gehaltskürzungen. Dann müsste sogar sie die Waffen strecken. Mein
Aufstieg aus den mittleren in die höheren Ränge der griechischen Polizei wird
sie nicht weiter beeindrucken. Adriani hat auf meinen Dienstgrad nie besonderen
Wert gelegt. Für sie zählt, dass ich ein tüchtiger Polizeibeamter bin, und
sonst gar nichts. Außerdem hält sie unerschütterlich an ihrer Überzeugung fest,
dass im griechischen öffentlichen Dienst die Tüchtigen immer auch die
Gelackmeierten sind. Es fällt ihr allerdings schwer, mit der Diskrepanz
zwischen dem tüchtigen Polizisten und dem gelackmeierten Beamten klarzukommen.
Daher wirft sie mir – je nachdem – abwechselnd beides vorwurfsvoll an den Kopf.
    Wenn ich hingegen nichts von meiner anstehenden Beförderung
verlauten lasse, beraube ich sie der Perspektive, dass [22]  die Dinge in naher
Zukunft besser werden könnten. Andererseits bewahre ich sie damit auch vor
einer möglichen Enttäuschung. Erneut fällt mir der alte Wahlkampfslogan ein.
Damals hatten die Griechen begeistert für die »noch besseren Zeiten« gestimmt,
wohingegen sie heute die schlimmsten Zeiten durchmachen müssen. Diese Einsicht
gebietet mir eigentlich, den Mund zu halten. Ganz abgesehen davon, dass für
Adriani das höchste der Gefühle in puncto Optimismus »Schlimmer wird’s nimmer«
lautet.
    Als ich den Schlüssel ins Schloss stecke, tendiere ich eher zum
Verschweigen der Neuigkeit. Zu meiner großen Überraschung höre ich bei meinem
Eintreten jedoch nicht wie jeden Abend den laufenden Fernseher, sondern Stimmen
aus dem Wohnzimmer. Ich tippe auf einen Besuch von Katerina, doch das erweist
sich als falsch, Frau Lykomitrou aus dem unteren Stockwerk ist zu Gast. Ich
wundere mich ein wenig, dass Adriani sich plötzlich mit der Lykomitrou
angefreundet hat, mit der sie doch jahrelang nur einen knappen Gruß gewechselt
hat. Nach dem vierfachen Selbstmord bin ich nicht gerade in der Verfassung,
Besuch zu empfangen, dennoch versuche ich, mein »Guten Abend« etwas herzlicher
als eine reine Formalität klingen zu lassen. Ob das jetzt der gutnachbarschaftlichen
Beziehung geschuldet ist oder unserem Berufsbild als Freund und Helfer, wer
kann das schon sagen?
    »Areti hat mir gerade von ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter
erzählt, die in London leben«
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