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Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag
Autoren: Petros Markaris
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und ich die psychologische Betreuung.«
    Alle Blicke richten sich auf Mania. Katerina ist ganz verdattert.
    »Meinst du das wirklich im Ernst?«, fragt sie.
    »Natürlich. Weißt du, wie viele solcher jungen Leute es gibt? Du
brauchst nur durch das Exarchia-Viertel, durch die Nebenstraßen am Omonia-Platz
oder durch die Ajiou-Konstantinou-Straße zu laufen. Dann verstehst du, was ich
meine. Viele von ihnen stammen aus wohlhabenden Familien, und ihre Eltern wären
sicher bereit, für juristische und psychologische Hilfe zu zahlen.«
    »Aber Kind, willst du wirklich einen sicheren Posten im Staatsdienst
aufgeben, und dich auf das Wagnis einer eigenen Praxis einlassen?«, fragt
Adriani.
    Sie lebt immer noch in der Zeit, als eine Stelle im öffentlichen
Dienst ein Platz im Paradies war, und sie will nicht [399]  einsehen, dass wir
mittlerweile auf dem besten Weg in die Hölle sind.
    »Ein sicherer Posten im Staatsdienst, Frau Charitou?«, entgegnet
Mania. »Da wird doch alles gestrichen. Gehälter, Renten und Zulagen werden
sicher bald auch im Drogentherapiezentrum und in der Abteilung für
Drogenbekämpfung beschnitten. Man wird die Drogenabhängigen sich selbst
überlassen, und ich werde mir einzureden versuchen, dass ich auch mit den
gekürzten Mitteln noch etwas erreichen kann. Reiner Mumpitz! Besser, ich
versuche gleich anderswo mein Glück.«
    »He, Mania, bleib auf dem Boden! Weißt du, was es kostet, eine
Praxis zu eröffnen? Nur schon die Miete und die Einrichtung… Wo sollen wir denn
das Geld dafür hernehmen?«
    »Mein Vater, der alte Juntafreund, hat mir eine Dreizimmerwohnung in
Pangrati hinterlassen. Also ein Büro für dich, ein Praxisraum für mich, und
dann bleibt sogar noch ein Wartezimmer übrig. Und was die beiden Schreibtische,
die beiden Büroschränke und die paar Stühle betrifft, die wir brauchen: Die
kaufen wir auf Kredit und zahlen dann die Raten ab, wenn wir schon keine Miete
zu zahlen brauchen. So einfach.«
    »Und wo willst du wohnen?«, fragt Katerina.
    »Ich such mir einen Lover, der mir ein Liebesnest einrichtet«,
erwidert sie und lacht laut auf, doch dann wird sie gleich wieder ernst. »Das
war ein Witz. Das Kapitel Männer ist bei mir das reinste Trauerspiel.«
    »Warum denn, Mania?«, wundert sich Adriani. »Du bist doch eine
bildhübsche junge Frau.«
    [400]  »Ich will es Ihnen erklären, Frau Charitou. Es läuft immer nach
demselben Muster ab: Ich gehe mit einem Typen zum ersten Mal aus, und da
verzapft er den ersten Blödsinn. Ich gehe darüber hinweg und tue so, als hätte
ich nichts gehört. Beim zweiten Schwachsinn erkläre ich höflich, dass sich die
Dinge so wohl nicht verhalten. Beim dritten Mal drehe ich durch und schreie:
›Hör auf mit dem Bockmist!‹ Wenn wir das zweite Mal zusammen ausgehen: dasselbe
Szenario. Danach ändert der Typ seine Handynummer – und das war’s dann. Und das
ist noch die harmlose Variante.«
    »Warum? Gibt es noch eine schlimmere?«, fragt Adriani perplex.
    »Und ob. Dass er zuerst mit mir ins Bett geht und dann seine
Handynummer ändert.«
    Erneut lacht sie laut auf. All das erzählt sie ohne jede Hemmung,
als wäre es das Natürlichste von der Welt. Dann wendet sie sich wieder an
Katerina.
    »Ich hoffe, deine Familie nimmt mir meine Frotzeleien nicht krumm«,
erklärt sie. »Aber zurück zu dem Projekt: Ich würde mir ein kleines Studio
mieten und dort wohnen, bis unsere Finanzen mir erlauben, in eine größere
Wohnung zu ziehen.«
    »Das wird gar nicht nötig sein«, meint Fanis, der sich bisher
zurückgehalten hat.
    »Warum denn nicht, Fanis? In der Praxis möchte ich nur ungern
wohnen.«
    »Meine Eltern haben eine Zweizimmerwohnung in Koukaki. Sie kommen
nur zweimal im Jahr nach Athen, die übrige Zeit steht das Apartment leer. Dort
könntest du [401]  wohnen, und wenn meine Eltern kommen, dann bringen wir sie
anderswo unter.«
    »Sie könnten bei euch wohnen, und ihr übernachtet währenddessen bei
uns«, schaltet sich Adriani ein. »In Katerinas leerstehendes Zimmer passt
bequem ein Doppelbett rein.«
    »Na, siehst du? Es findet sich für alles eine Lösung, wenn du Jobs
in Afrika schön sein lässt und auch mal den einfacheren Weg wählst«, sagt Mania
zu Katerina, ohne Fanis’ Vorschlag auch nur höflichkeitshalber auszuschlagen.
    In der Zwischenzeit habe ich meine Tochter beobachtet.
Offensichtlich gefällt ihr Manias Idee, doch sie ist nicht der Typ, der auf
Anhieb ja sagt.
    »Lass mich drüber nachdenken«, meint sie zu
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