Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zahltag

Zahltag

Titel: Zahltag
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
Bescheid, denn sie sagt sofort: »Kommen Sie, Herr Kommissar.
Der Herr Direktor erwartet Sie bereits.«
    Merenditis empfängt mich mit einem Lächeln auf den Lippen. »Sind Sie
mit Ihrer Suche vorangekommen?«, fragt er.
    »Leider nein, und genau deshalb wenden wir uns verstärkt
verschiedenen Spuren zu, in der Hoffnung, dass sich daraus neue Hinweise
ergeben.«
    »Und jetzt sind Sie hier, um die Personaldaten von mir und meinen
Mitarbeitern aufzunehmen?«
    »Nein, Herr Merenditis. Ich möchte etwas über Jerassimos Nassiotis
wissen.«
    »Über Nassiotis?«, meint er verwundert. »Was soll der denn mit den
Morden zu tun haben?«
    »Wahrscheinlich gar nichts, aber wie gesagt verfolgen wir jede
Spur.«
    »Ich kenne Nassiotis zwar nicht besonders gut, aber bitte, fragen
Sie.«
    »Ist Ihnen bekannt, ob sich Nassiotis derzeit in Griechenland
aufhält?«
    [390]  »Er wohnt und arbeitet in Deutschland. Nach Griechenland kommt er
immer nur für einen konkreten Auftrag, und soweit ich weiß, liegt momentan
nichts Aktuelles vor. Nach all den Etatkürzungen beschränken wir uns auf die
Gestaltung von Postern und Werbebroschüren. Dafür brauchen wir Nassiotis’ Hilfe
nicht. Daher nehme ich an, dass er sich in Deutschland oder anderswo in Europa
aufhält.«
    »Wer könnte denn wissen, wo er sich gerade aufhält?«
    »Wir könnten Stefanidis von der Generaldirektion für archäologische
Stätten fragen.«
    »Bitte fragen Sie ihn dann doch auch, wo Nassiotis wohnt, wenn er
nach Griechenland kommt.«
    Seine Miene verrät, dass ihm mein Ansinnen kurios vorkommt, doch er
verkneift sich jeden Kommentar. Umgehend ruft er Stefanidis an und wiederholt
ihm meine Frage. Eine ganze Weile lauscht er stumm, dann legt er den Hörer auf.
    »Stefanidis hat mir bestätigt, dass Nassiotis momentan an keiner
Videoproduktion arbeitet. Deshalb hält er es für vollkommen unwahrscheinlich,
dass er sich in Griechenland aufhält. Zu seiner Athener Adresse kann ich Ihnen
gar nichts sagen. In den Verträgen hat er immer seine deutsche Anschrift
angegeben. Niemand weiß, wo er wohnt, wenn er nach Athen kommt.«
    Das bedeutet, dass sich Nassiotis nirgends gemeldet hat, obwohl er
in Griechenland war. Nur Chomatas hat er besucht, weil er annahm, der hätte
keinerlei Kontakt mehr zu den archäologischen Behörden. Er konnte also
eigentlich davon ausgehen, dass niemand von seinem Besuch erfahren würde.
    »Wissen Sie vielleicht, ob Nassiotis, abgesehen von seinen
Video-Aufträgen, noch andere Jobs in Griechenland hat?«
    [391]  »Was für Jobs meinen Sie?«
    »Nichts Bestimmtes, ich frage mich bloß, ob er eventuell
gleichzeitig noch einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgeht.«
    »Das glaube ich nicht«, erwidert er, doch plötzlich ändert er seine
Meinung. »Jetzt, da Sie es erwähnen, fällt mir etwas ein…«, ergänzt er.
    »Ja? Was denn?«
    »Als er den Film hier auf unserem Gelände drehte, erzählte er mir,
dass er sich im Ministerium mit einem Projekt für audiovisuelle Führungen
beworben habe, das seiner Überzeugung nach zukunftsweisend war. Er ließ darüber
nur ein paar ganz allgemeine Bemerkungen fallen. Etwa, dass sich das System auf
eine Kombination von Wort und Bild stütze und somit kein reiner Audio-Guide
sei, sondern weiterführende visuelle Einzelinformationen liefere. Aber fragen
Sie mich nicht, wie dieses System genau funktioniert, denn ich verstehe davon
überhaupt nichts.«
    Die technischen Details interessieren mich ebenso wenig wie ihn. Sie
würden meinen Horizont ohnehin übersteigen. »Und was wurde schließlich
daraus?«, frage ich.
    »Nichts, weil er mit seinem Vorschlag in die Mühlen der griechischen
Bürokratie geraten ist. Zunächst hielt man ihn monatelang hin, mit der
Behauptung, man müsse das Projekt erst sorgfältig prüfen. Sie wissen ja, wie
lange es dauert, bis der griechische Staat irgendeine Entscheidung trifft. Danach
wollte man andauernd eine andere Bescheinigung von ihm. Eines Tages erzählte er
mir völlig entnervt, in diesem Land verstehe man nur von einer Sache wirklich
etwas, nämlich davon, allen, die etwas arbeiten und leisten wollten, Knüppel [392]  zwischen die Beine zu werfen. Am Schluss hat er es aufgegeben und ist nach
Deutschland zurückgefahren. Kurz darauf hat sich ein gewisser Panoritis mit
genau derselben Idee beworben und den Auftrag auch bekommen.«
    Ob es sich hierbei wohl um das von Mania Lagana prophezeite Trauma
handelt, das sich hinter den Morden verbirgt? Wenn ja, muss ich den Hut
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher