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Zaertliche Brandung - Roman

Zaertliche Brandung - Roman

Titel: Zaertliche Brandung - Roman
Autoren: Janet Chapman
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und ihre lachhafte Garderobe auf dem Teppich landete.
    Ein richtiger Schlamassel. Nicht nur ihre Sachen … der viel größere Schlamassel war jener, in dem sie steckte – inklusive der Abend, der, wie sie wusste, die reinste Hölle sein würde. Sie hatte es während des gesamten Dinners mit diesen drei feindseligen Typen zu tun, die sie am liebsten geteert und gefedert hätten, um sie anschließend in die erstbeste Maschine mit Kurs nach Norden zu stecken.
    Nachdem jeder von ihnen versucht hatte, ihr ihre Stimme abzuschmeicheln.
    Verdammter Abram Sinclair! Alles war allein seine Schuld. Sie war hier völlig fehl am Platz. Diese Leute bei der Sitzung, und diese Sinclair-Enkel … allesamt nicht in ihrer Liga. Sie war ein Mädchen aus der Kleinstadt. Ihre schwerwiegendsten geschäftlichen Entscheidungen drehten sich um neue Verzierungen auf ihren Sargdeckeln. Welche Qualitäten jemand für die Leitung
eines milliardenschweren Unternehmens mitbringen musste, entzog sich ihrem Urteilsvermögen.
    Willa seufzte frustriert, schleuderte ihre Schuhe von sich, ließ sich aufs Bett fallen und rieb sich die Stirn. Ihr Sitz zwischen den monströsen Propellern hatte ihr in Minutenschnelle dröhnende Kopfschmerzen beschert. Sie quälten sie noch immer, nur waren die Schmerzen nicht mehr dröhnend, sondern drohten ihren Kopf zu sprengen. Verdammt, sogar ihre Haare schmerzten.
    Und ihr Tag war noch nicht gelaufen. Willa schlug die Augen auf und schielte auf ihre Uhr. In vier Stunden würden drei Männer sie zähneknirschend zum Dinner ausführen. Gewiss, sie würden den Anstand wahren, da ja jeder auf ihre Stimme aus war. Vermutlich würden alle ihren Charme so dick auftragen, dass sie darin erstickte.
    Bis auf Sam Sinclair vielleicht. Er hatte sich keine Mühe gegeben zu verbergen, was er von der Situation – und von ihr – hielt.
    Sie konnte es ihm nicht verargen. Dass Abram von zu Hause ausgerissen war, stellte für seine Erben eine große Kränkung dar. Es war offenkundig, dass sie den Alten liebten und ihm Adieu sagen wollten. Willa hatte Verständnis für den Standpunkt der drei Enkel, aber auch für jenen Abrams; und sie verstand auch den Schmerz aller Beteiligten.
    Und um das Maß vollzumachen, empfand Sam sie ganz eindeutig als Schlag ins Gesicht. Abram hatte
eine Außenseiterin in die Familien- und Geschäftsszene eingeführt. Nicht nur eine Außenseiterin, sondern einen Trampel.
     
    Willa hatte noch nie im Leben High Heels getragen und würde auch nie auf den Geschmack kommen. Die Schuhe, die sie heute trug, hatten ihrer Mutter gehört. Und sie hasste Lifts. Hätte der Sitzungsraum sich nicht im dreißigsten Stock befunden, sie hätte die Treppe genommen – aber dreißig Etagen waren doch etwas viel. Dann war ihr Gepäck verschlungen worden. Und als sie auf die Toilette gegangen war und in den Spiegel gesehen hatte, hätte sie beinahe aufgeschrien.
    Stattdessen hatte sie gelacht, bis ihr die Tränen gekommen waren. Sie war zu einer hochkarätigen Sitzung nach Manhattan gekommen und hatte ausgesehen wie ein von einer Katze am Strand ergattertes Stück Treibgut. Kein Wunder, dass alle entsetzt waren, weil sie die entscheidende Stimme hatte. Sie war selbst entsetzt gewesen.
    Und jetzt hatte sie einfach nur Angst. Und das war für sie nicht normal. Sie war neunundzwanzig und hielt sich für furchtlos. Sie vertraute ihrer Fähigkeit, Situationen und Menschen einschätzen zu können, und traf Entscheidungen, zu denen sie stand, auch wenn sie sich als falsch erweisen sollten.
    Und deswegen war sie hier und stellte sich Abrams drei Enkelsöhnen. Als der scharfäugige Alte mit den
wirren Haaren auf ihrer Türschwelle erschienen war und den Wunsch geäußert hatte, ihr Cottage zu mieten, hatte er ihr mit seinem unverschämten Charme, seiner unzeitgemäßen Arroganz und seiner Gebrechlichkeit das Herz gestohlen. Er hatte ihr unumwunden erklärt, er wäre nach Maine gekommen, um zu sterben und wolle den Tod zu seinen Bedingungen hinter sich bringen. Und Willa, die nie widerstehen konnte, wenn jemand in Nöten war, hatte ihn aufgenommen, ihm Liebe und Verständnis geschenkt – und ihm versprochen, seinen Enkeln beizubringen, dass er dem Tod nahe war.
    Sie hätte sich denken können, dass die drei Sinclairs jüngere Ausgaben von Abram sein würden.
    Alle drei Enkelsöhne waren wahre Prachtexemplare – groß, eindrucksvoll und schlechterdings einschüchternd. Willa war ernsthaft versucht, einen Stimmzettel mit ihrer Entscheidung
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