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Zaertlich ist die Nacht

Zaertlich ist die Nacht

Titel: Zaertlich ist die Nacht
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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aufgeschlagenen Buches, das vor ihr im Sand lag, eine Liste verschiedener Dinge. Sie hatte sich den Badeanzug von den Schultern gezogen und ihr Rücken, dessen kräftiges, rötliches Braun von einer hellen Perlenkette 3* akzentuiert wurde, schimmerte in der Sonne. Ihr Gesicht war anmutig, mitleiderregend und hart. Ihre Augen trafen auf Rosemarys Blick, schienen sie aber nicht wahrzunehmen. Hinter ihr saß ein gut aussehender Mann mit einer Jockeymütze und rot gestreiftem Badeanzug. Dann kam die Frau, die Rosemary auf dem Floß gesehen hatte und die jetzt auch wieder zurückschaute; dann ein Mann mit einem langen Gesicht und einer goldenen Löwenmähne, der einen blauen Badeanzug, aber keine Mütze trug und sehr ernsthaft auf einen südländischen jungen Mann in einem schwarzen Badeanzug einredete, wobei sie beide am vertrockneten Seetang herumzupften, der aus dem Sand ragte. Sie hielt die meisten für Amerikaner, aber irgendetwas machte sie anders als die Amerikaner, die sie in letzter Zeit kennengelernt hatte.
    Nach einer Weile merkte sie, dass der Mann in der Jockeymütze eine kleine Vorstellung für seine Gruppe gab. Er ging feierlich mit einem Rechen herum, als ob er die Steine wegharken wollte, machte aber eine geheimnisvolle Pantomime daraus, die von seinem feierlichen Gesichtsausdruck noch gesteigert wurde. Jede kleinste Einzelheit war so albern, dass alles, was er sagte, gewaltige Lachsalven auslöste. Selbst diejenigen, die   – wie sie selbst   – außer Hörweite waren, richteten ihre Antennen in seine Richtung, bis |17| am Ende die Frau mit der Perlenkette die Einzige am ganzen Strand war, die keinen Anteil zu nehmen schien. Vielleicht war es ja die Bescheidenheit der Besitzenden, was sie veranlasste, sich bei jedem Ausbruch von Heiterkeit nur noch tiefer über ihre Liste zu beugen.
    Plötzlich ertönte eine Stimme aus dem heiteren Himmel über Rosemary. »Sie sind eine fetzige Schwimmerin«, sprach der Monokel-Mann mit der Flasche.
    Sie wehrte bescheiden ab.
    »Große Klasse. Mein Name ist Campion. Da drüben sitzt eine Dame, die sagt, sie hätte Sie letzte Woche in Sorrent gesehen. Sie weiß, wer Sie sind, und würde Sie gern kennenlernen.«
    Rosemary drehte sich mit unterdrückter Verärgerung um und sah, dass die Weißhäutigen auf sie warteten. Widerwillig stand sie auf und ging zu ihnen hinüber.
    »Mrs Abrams   – Mrs McKisco   – Mr McKisco   – Mr Dumphry   –«
    »Und wer Sie sind, wissen wir ja«, sagte die Dame im Abendkleid. »Sie sind Rosemary Hoyt 4* , und ich habe Sie schon in Sorrent erkannt und gleich den Portier gefragt. Wir finden Sie alle phänomenal, und jetzt wollen wir wissen, warum Sie nicht in Amerika sind und ihren nächsten phänomenalen Film drehen.«
    Sie machten überflüssige Gesten, als müssten sie Platz für sie schaffen. Die Frau, die sie erkannt hatte, war keine Jüdin, trotz ihres Namens. Sie war einer jener unverwüstlichen »guten Kumpel«, die sich durch die Verweigerung jeder negativen Erfahrung und eine gute Verdauung in die nächste Generation zu retten verstanden.
    »Wir wollten Sie warnen, damit Sie sich nicht gleich am ersten Tag einen Sonnenbrand holen«, fuhr sie frohgemut |18| fort. »Denn
Ihre
Haut ist ja wichtig. Aber die Etikette an diesem Strand ist so verflixt streng, dass wir nicht wussten, ob Ihnen das recht ist.«

2
    »Wir dachten, womöglich kämen Sie in der Handlung vor«, sagte Mrs McKisco. Sie war eine hübsche junge Frau mit neidischen Augen und einer etwas enervierenden Bemühtheit. »Wir wissen nämlich nicht, wer darin vorkommt und wer nicht. Ein Mann, zu dem mein Gemahl besonders nett war, erwies sich später als eine Hauptfigur   – beinahe der stellvertretende Held.«
    »Die Handlung?«, fragte Rosemary etwas verständnislos. »Es gibt eine Handlung?«
    »Das wissen wir nicht, meine Liebe«, sagte Mrs Abrams mit dem krampfhaften Kichern einer übergewichtigen Frau. »Wir gehören ja nicht dazu. Wir sind nur die Galerie.«
    Mr Dumphry, ein flachsblonder, affektiert weibischer junger Mann, sagte: »Mama Abrams ist eine ganz eigene Geschichte«, und Campion drohte ihm mit dem Monokel. »Bitte, Royal, benimm dich nicht so unsagbar abscheulich!«
    Rosemary betrachtete sie unbehaglich und wünschte sich, ihre Mutter wäre mit ihr heruntergekommen. Sie mochte diese Leute nicht, besonders nicht im Vergleich zu der anderen Gruppe, die sie am Strand gesehen hatte. Das bescheidene, aber äußerst kompakte gesellschaftliche Talent
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