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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant
Autoren: Marie Cordonnier
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ihre Nasenspitze und schenkte ihr ein zärtlich-triumphierendes Lächeln. »Das war, damit du mich nicht vergisst. Bis morgen, Mignonne!«
    Dann wandte er sich zum Gehen und verschwand um den nächsten Felsvorsprung. Einen Moment lang hörte sie noch sein fröhliches Pfeifen, dann wurde es vom Tosen des Meeres und dem Kreischen der Möwen übertönt.
    Bestürzt berührte sie ihre Lippen mit den Fingerspitzen. Sie fühlten sich lebendiger und seltsam warm an. Sie begriff nicht, was geschehen war, und in all der Verwirrung blieb nur ein Gedanke – sie wusste nicht einmal, wie dieser unverschämte Kerl hieß, der es gewagt hatte, sie zu berühren und zu einem Stelldichein zu zitieren, als sei sie tatsächlich nicht mehr als die einfachste Magd von Locronan.

2. Kapitel
    Ysobel! Wo hast du gesteckt, du nichtsnutziges Ding? Die Herrin hat überall nach dir suchen lassen! Ich dulde keine Faulheit, ist dir das klar?«
    Ysobel zuckte stumm mit den Schultern und suchte nach einer Lücke zwischen Dame Volberte und der Mauer des Küchenhauses, welche ihr die Flucht ermöglichte. Dame Volberte war vor vielen Jahren mit Gratiens Braut nach Locronan gekommen. Damals war sie nicht viel mehr als eine Vertraute oder Kammerfrau, doch nun regierte sie in Dame Thildas Namen als Haushofmeisterin über das Gesinde. Sie war ihrer Herrin sklavisch ergeben und teilte deswegen deren Abneigung gegen ihre junge Schwägerin. Sie tat ihr möglichstes, um Ysobel zu schikanieren, und wusste geschickt zu verhindern, dass deren wahre Herkunft bekannt wurde.
    Nun vertrat sie ihr so den Weg, dass sie stehen bleiben und ihr zuhören musste. Eine massige Person in dunkelbraunem Samt, mit einer weit ausladenden steif gefältelten Haube über dem roten Gesicht. Man sah ihre Vorliebe für die stärkere Version des gebrannten Apfelweines an, den auch Gratien in so ungewöhnlichen Mengen trank.
    »Ich werde nicht zulassen, dass du dich weiterhin vor der Arbeit drückst und dich in der Gegend herumtreibst«, keifte sie. »Scher dich in die Küche, die Magd, die die Töpfe schrubbt, hat sich am heißen Wasser verbrannt. Du wirst ihre Aufgabe übernehmen!«
    Ysobel tat ihr nicht den Gefallen zu protestieren. Sie machte kehrt und ging zur Tür des Küchengebäudes, das mit seinen großen Feuerstellen in einem eigenen Haus untergebracht war. Nur in den moderneren Burgen gab es mächtige Kamine und große Küchengewölbe unter demselben Dach, so dass die Speisen wesentlich wärmer und schneller serviert werden konnten. Aber diese Festung gab es schon seit so vielen Jahren, dass niemand genau sagen konnte, wann sie erbaut worden war.
    Der Rauch und die Düfte des Küchenhauses zogen durch die Lüftungsschlitze im Reetdach, aber es blieb noch genügend davon im Raum, so dass es Ysobel vorkam, als sei die Luft rund um die Feuerstellen doppelt so dicht und so schwer wie draußen. Im Licht der Herdfeuer und Talgleuchten sah sie, dass die Vorbereitungen für das Abendessen in vollem Gange waren. Auf dem riesigen Holztisch wartete ein Brett mit duftenden Pastetchen, in dem Kessel über dem Feuer brodelte eine Suppe, und zwei der Küchenjungen drehten aufmerksam einen Bratspieß über einem Bett aus glühender Holzkohle.
    Das Aroma der köstlichen Speisen ließ Ysobel das Wasser im Mund zusammenlaufen. Es juckte sie in den Fingerspitzen, eines der vielen Pastetchen zu stibitzen, aber sie wagte es nicht. Es war weniger die Angst vor Dame Volberte, die sie davon abhielt, als ihr Stolz. Sie würde der alten Krähe nicht die Genugtuung verschaffen, ihren Hunger einzugestehen.
    Entschlossen wandte sie den verführerischen Teigtaschen und dampfenden Suppenkesseln den Rücken zu und lief zum Spülstein, wo die jüngste Küchenmagd vergeblich gegen die Kasserollen, Näpfe und beschmutzten Speisebretter kämpfte, die sich auf dem steinernen Absatz ansammelten.
    Das Mädchen war knapp vierzehn Jahre alt und so schmal und klein, dass es kaum die großen Kupfertöpfe heben konnte, geschweige denn die Reste herauskratzen und Böden mit Sand scheuern, wie es sich gehörte. Ein paar wirre schwarze Locken klebten feucht auf der blassen Stirn, und die rot ausgelaugten verschrammten Hände zeigten Ysobel, wie auch die ihren bald aussehen würden. Ihr Ärger auf Dame Volberte schwand über dem Mitleid mit dem erschöpften Mädchen.
    »Das ist viel zu schwer für dich«, sagte sie sanft und nahm ihm einen Topf aus der Hand, der grässlich nach verbrannter Milch stank. »Lass mich das
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