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Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Titel: Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren
Autoren: Oliver Bantle
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»Außerdem habe ich erst kürzlich mit ihm darüber gesprochen: Vor der nächsten Trockenzeit will er unter keinen Umständen hoch.«
    Yofi dachte gerade darüber nach, ob der Kuhreiher etwas Falsches berichtet haben könnte, als Mogo angestürmt kam. Er war schon wieder größer geworden.
    Wie immer, wenn sie sich trafen, zogen sie sich zu einem Spiel zurück, das sie »Vater und Sohn« nannten. Abgeschieden von den Anderen legten sie sich neben einen Busch. Dann durfte Mogo so viele Fragen stellen, wie ihm einfielen. Heute wollte der Kleine über Bäume sprechen.
    »Warum können Bäume nicht laufen?«
    »Weil sie keine Hufe haben.«
    »Warum haben sie keine Hufe?«
    »Sie haben Wurzeln.«
    »Warum haben sie Wurzeln?«
    »Um Nahrung aus der Erde zu trinken.«
    »Warum haben Nashörner keine Wurzeln?«
    »Weil sie Hufe haben.«
    »Warum haben sie Hufe?«
    »Damit sie laufen können.«
    Es ging darum, Yofi so weit zu bringen, dass ihm keine sinnvolle Antwort mehr einfiel. Die Spiele wurden immer kürzer.
    Irgendwann merkt er, dass auch ein Vater nicht alles weiß.
    Yofi wurde traurig, weil er das schönste Kind der Welt für lange Zeit nicht mehr sehen würde. Vielleicht sogar für immer. Trotzdem spürte er: Es war richtig, aufzubrechen.
    »Ich bin stolz, dass du mein Sohn bist – ganz gleich, wo ich mich befinde. Vergiss es nie: Ich hab dich lieb«, sagte er mit leiser Stimme.
    »Ich dich auch«, flüsterte Mogo.
    Zum Abschied drückten Vater und Sohn die Köpfe aneinander. Dann spurtete der Kleine davon. Er hatte noch eine Verabredung. Mit wem, wollte er nicht verraten.
    Sein Vater blickte wehmütig hinterher und überlegte, was aus dem Jungen einmal werden würde.
    Er hat keinen Großvater mehr, der ihn abholt.
    Yofi war noch sehr klein, als sein Vater starb. Die Wilderer hatten das große Horn einfach aus dem Schädel gerissen und waren weitergezogen. Wo der Vater ermordet worden war, hatte Yofi nie erfahren.
    Meru tauchte hinter einem Gebüsch auf, daneben stolzierte Großmutter Mira. Beide lächelten.
    »Du bist aber groß geworden«, sagte sie freundlich.
    Yofi war verwundert. So entspannt hatte er die alte Mira noch nie erlebt.
    Früher hat sie den Großvater immer einen Herumtreiber genannt.
    Sie zwinkerte, drehte sich Meru zu und sagte:
    »Pass gut auf euch beide auf.«
    »Bis bald«, antwortete er.
    Die erste Zeit marschierten Großvater und Enkel schweigend nebeneinander. Yofis Gedanken kreisten immer wieder um die Geschichte mit den bizarren Fabelwesen.
    »Warum erwischen die Traumschlürfer den letzten Tropfen eigentlich nie?«, fragte er, als sie Rast einlegten.
    »Weil er an einem sicheren Ort verborgen ist«, antwortete Meru.
    »Wo?«
    »Im Inneren des Nashornherzens.«

DREI
    In der ersten Nacht der Reise träumte Yofi, dass ein riesiges Maul das Meer ausschlürfte. Als er aufwachte, stand der Alte vor ihm – zur Sonne gedreht, mit geschlossenen Augen.
    »Was machst du da?«
    Meru strahlte, als hätte er diese Frage erwartet.
    »Ich bereite mich vor.«
    »Auf was?«
    »Auf den wichtigsten Tag meines Lebens.«
    Yofi glaubte, sich verhört zu haben.
    »Und wann kommt dieser Tag?«
    »Er ist bereits da: heute.«
    Yofi hatte einen Moment lang den Eindruck, Meru mache sich über ihn lustig. Aber der Großvater verzog keine Miene.
    » Heute ist der wichtigste Tag deines Lebens?«
    »Deines ebenso.«
    »Nett, dass ich das auch erfahre«, knurrte Yofi. »Und woher weißt du das so genau?«
    Meru antwortete ungerührt:
    »Von Großvater Sasa.«
    »Das wird ja immer besser. Dein Großvater kannte mich doch gar nicht! Bestimmt ist er schon lange tot. Trotzdem will er gewusst haben, wie wichtig der heutige Tag für mich ist?«
    »Er war eben sehr weise. Jedenfalls gegen Ende seines Lebens.«
    Der hat sie nicht mehr alle.
    Yofi hatte schon öfter mit Alten gesprochen. Aber keiner war so schrullig gewesen.
    »Da bin ich aber gespannt auf heute.«
    »Ich auch«, sagte der Großvater.
    Obwohl es ihm absurd vorkam, wartete der Enkel den ganzen Tag darauf, dass etwas Außergewöhnliches passierte. Am Abend fühlte er sich bestätigt – und war enttäuscht.
    Der Alte ist ein Spinner.
    »Das ging wohl daneben«, sagte Yofi, als sie sich schlafen legten.
    »Was meinst du?«
    »Dein Blabla vom wichtigsten Tag meines Lebens .«
    »Wieso? Es hat doch alles fabelhaft geklappt.«
    Er ist sogar ein ziemlich großer Spinner.
*
    Am nächsten Morgen gab sich Meru wieder der Sonne hin.
    Am besten, ich schweige darüber ,
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