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Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Titel: Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren
Autoren: Oliver Bantle
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habe ich damals alles dem Saftarsch anvertraut.
    »Du willst mich reinlegen!«
    »Wolltest du nicht auch ans Meer?«
    »Das weißt du von Antros!«
    »Wolltest du: ja oder nein?«
    »Das spielt keine Rolle. Es ist lange her.«
    »Große Wünsche haben ihre eigene Zeit«, erwiderte Meru sanft.
    »Du weißt wohl immer alles besser. Kommt das mit dem Alter oder warst du schon früher so?«
    Meru ignorierte die Bosheit und sagte:
    »Das Nashorn, von dem ich dir erzählt habe, war mein Großvater Sasa. Er wurde damals vom Vater seines Vaters abgeholt. Sie sind gemeinsam ans Meer gewandert.«
    »Und woher willst du das alles so genau wissen?«
    »Sasa hat es mir erzählt.«
    »Du hast deinen Großvater gekannt?«, fragte Yofi verwundert.
    »Sicher. Er hat mich ans Meer begleitet. Genau, wie ich als junges Tier geträumt habe. Jetzt lass uns gehen. Wir haben einen weiten Weg vor uns.«
    »Einen weiten Weg? Wohin?«
    Meru schmunzelte.
    »Ein wenig schlauer habe ich mir meinen Enkel schon vorgestellt.«

ZWEI
    Meru drehte sich um und trabte den Weg zurück. Yofi blieb verwirrt stehen. Erst als der Alte hinter der Biegung verschwand, rannte er hinterher.
    »Kannst du beweisen, dass du mein Großvater bist?«
    Ein Schnauben war die Antwort.
    »Aber das ist längst vorbei«, sagte Yofi.
    »Was ist vorbei?«
    »Das mit dem Meer! Ein Kinderwunsch, längst begraben.«
    »Grab ihn wieder aus.«
    Yofi fühlte sich unverstanden.
    »Dazu ist es zu spät. Mein Leben ist ganz anders verlaufen, als ich es mir früher vorgestellt habe.« »Das ist oft so«, gab Meru knapp zurück. »Meistens liegt es an den Vorstellungen.«
    »Was geht dich das eigentlich an?«, schnauzte Yofi.
    Meru hielt inne und drehte sich dem Enkel zu.
    »Mach dir darüber keine Sorgen: Ich entscheide selbst, was mich etwas angeht.«
    Yofi fühlte sich getadelt und schwieg. Am hohen Gras erinnerte er sich an Suru. Heute war er nicht darauf erpicht, dem Vogel zu begegnen.
    Das wird ’ne prima Schlagzeile: Yofi verliert kampflos.
    Meru ging freudig zur Wasserstelle.
    »Genau wie früher«, sagte er.
    »Wie früher ?«
    »Ich habe lange hier gelebt. Genau an diesem Wasserloch.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Hätte mich auch gewundert.«
    Sie tranken.
    Mit einer freundlichen Geste lud Meru die anderen Tiere ein, die in sicherer Distanz warteten. Sein Enkel verzog unwillig das Gesicht.
    »Im Grunde ist es deine Schuld«, sagte er dann. »Du hättest früher kommen müssen.«
    »Wahrscheinlich glaubst du das tatsächlich. Ich bin genau zum richtigen Zeitpunkt da: weder zu früh noch zu spät.«
    Yofi hasste, wie selbstsicher der Alte war.
    »Dann muss ich dich enttäuschen. Ich will nicht verreisen. Nur um einen See anzuschauen, der ein wenig zu groß geraten ist.«
    »Dein Wunsch ist verschwunden?«
    »Endlich kapierst du es!«
    »Wohin?«
    »Keine Ahnung. Weg eben.«
    »Vollständig?«
    »Ja!«
    Meru atmete tief ein.
    »Merkwürdig. Das widerspricht allem, was mir über große Wünsche bekannt ist.«
    »Man lernt eben immer dazu«, entgegnete Yofi patzig.
    Als die Sonne am höchsten stand, legten sie sich zu einem Mittagsschlaf ins Gras. Yofi döste sofort ein. Schließlich war er die ganze Nacht über wach gewesen. Am frühen Abend weckte ihn eine kühle Brise. Er wurde munter, erhob sich und sah, wie Meru am Rande des Sumpfes stand. Yofi wusste kaum etwas über den Sumpf. Nur, dass alte Nashörner sich manchmal dorthin zum Sterben zurückziehen. Der Großvater rieb das Horn einige Male andächtig am Boden. Dann drehte er sich um und stapfte zu seinem Enkel.
    »Lass uns ein bisschen spazieren gehen.«
    Sie trabten los.
    Nach einer Weile sagte Meru:
    »Wir sollten ein Missverständnis ausräumen. Du bist frei, genauso zu leben wie bisher.«
    Yofi hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte.
    »Niemand zwingt dich, mit mir zu gehen.«
    »Warum sollte ich auch?«
    Meru hielt an und schaute ernst.
    »Du bist mit deinem Leben also zufrieden?«
    Yofi schluckte.
    Die Frage traf seinen wunden Punkt: Er war seit Langem äußerst unzufrieden und hatte seinen Alltagstrott zutiefst satt.
    »Nein«, gab er leise zurück.
    »Das dachte ich mir.«
    »Aber ich kann hier nicht einfach so weg.«
    »Weshalb nicht?«
    Yofi hatte keine Antwort parat. In seinem Hirn arbeitete es. Früher wollte er nie einer von denen sein, die dumpf vor sich hin leben: starr, sicher, frustriert und gelangweilt.
    Bin ich wirklich so geworden?
    Immerhin hatte er eine stille Hoffnung, die ihn ab und zu
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