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Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Titel: Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren
Autoren: Oliver Bantle
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jemand etwas von ihm wollte; dadurch fühlte er sich wichtig. Also ließ er das Nashorn warten und machte sich über die rechte Rückenseite her.
    »Affenfrau geht fremd!«
    Yofi unterdrückte ein Gähnen.
    »Und bei den Nashörnern ist nix los?«
    »Oh, entschuldige. Beinah hätte ich das Wichtigste vergessen«, sagte Suru und spreizte die Flügel. »Antros will Hohen Berg besteigen. Morgen. Allein.«
    Die Schlagzeile wirkte. Suru spürte unter den Füßen, wie der Bulle schwer atmete. Mit dieser Nachricht hatte er nicht gerechnet.
    »Das ist nicht wahr«, zischte er gepresst.
    »Meine Quelle ist absolut sicher!«, flötete Suru und flatterte vorsichtshalber nach oben.
    Yofi stand eine Weile fassungslos da.
    Dann brach es aus ihm heraus:
    »Der Verräter will mich provozieren!«
    Schnaubend senkte er den Kopf, stürmte zu einem Strauch und zerfetzte ihn. Der Boden bebte. Eine Krötenfamilie suchte vor Schreck das Weite.
    »So! Antros will der Erste im Schnee sein. Das werde ich verhindern!«
    Yofi wäre am liebsten weitergerannt, um dem Rivalen das Horn in den Leib zu stoßen.
    Der Kuhreiher war zufrieden. Er wusste genau, welche Erinnerung seine Nachricht geweckt hatte. Schließlich war die Geschichte damals eine Sensation: »Blutiger Kampf der Giganten!«
    In der Savanne kam es oft vor, dass zwei hitzige Nashornbullen miteinander stritten. Das alleine hätte Suru nie berichtet. Alle Nashorn-Männchen müssen einmal gegeneinander kämpfen, um zu klären, wer der Stärkere ist. Dass sich aber die beiden dicksten Freunde weit und breit herausforderten – das war der Knüller.
    Als Kinder hatten Yofi und Antros, wann immer es möglich war, miteinander gespielt. Gemeinsam hatten sie die Steppe erkundet, gemeinsam in der Suhle gebadet, gemeinsam den tiefen Fluss durchquert. Bei Kraftproben hielten sie zusammen. Dann waren beide zu alt, um länger bei ihren Müttern zu bleiben. Fortan zogen die zwei Jungbullen gemeinsam durchs Leben. Jeder war sicher, den besten Kameraden der Welt an seiner Seite zu haben. Ihre Freundschaft besiegelten sie mit einem Schwur: nie gegeneinander anzutreten. Sie wurden erwachsen und feierten gemeinsam, als die Nashornfrau Sara von Yofi ein wundervolles Nashornbaby bekam: Mogo.
    Eines Tages löschten Yofi und Antros ihren Durst an einem Fluss, als sie von einer Gazelle erfuhren, dass Sara und Mogo in der Nähe waren.
    Eine willkommene Gelegenheit für Yofi: Endlich sah er seinen Sohn wieder – vor Freude tobte er den ganzen Tag mit ihm.
    Am Abend, als der Junge schlief, standen die Erwachsenen noch lange beisammen.
    Antros sagte:
    »Morgen will ich los. Kommst du mit?«
    Er brauchte nichts zu erklären. Yofi wusste, worum es ging: Sein Freund wollte auf den Hohen Berg – seit er ihn das erste Mal gesehen hatte. Damals war Antros noch ziemlich klein. Die Erwachsenen hatten es selbstverständlich verboten. Ein Nashorn, das einen Berg besteigt? Unmöglich! Aber Antros war wie besessen. Er wollte unbedingt wissen, wie sich der weiße Sand anfühlte, der auf der Spitze glitzerte, und sammelte alle Informationen, die er kriegen konnte. Das waren nicht viele. Antros kannte niemanden, der sich so weit auf den Berg getraut hatte. Vor langer Zeit, so hieß es, sei ein Leopard einmal fast ganz oben gewesen. Als er zurückgekommen sei, habe er berichtet, der Schnee sehe zwar warm aus, sei in Wahrheit aber kalt.
    Sara fragte:
    »Willst du morgen wirklich auf den Berg?«
    Antros nickte.
    »Toll, dass du nie aufgibst.«
    Yofi ärgerte sich bis weit nach Mitternacht. Sara hatte nur seinen Freund bewundert. Offenbar war ihr nicht aufgefallen, dass auch er, der Vater ihres Sohnes, mutig genug war, sich auf den Hohen Berg zu wagen.
    Die beiden Nashörner brachen am frühen Morgen auf. Bis zum Mittag wanderten sie still nebeneinander. An einer Steigung wurde der Weg zu schmal für zwei ausgewachsene Bullen. Für Antros war klar, wer vorne laufen würde: er. Es war schon immer sein Plan gewesen, auf den Berg zu klettern. Plötzlich stritten sie. Jeder wollte der Anführer sein.
    Keiner war bereit, das Hinterteil des Anderen vor sich wackeln zu sehen. Zum ersten Mal im Leben brüllten sie einander an.
    Er will nur vor Sara angeben , dachte Yofi.
    An diesem Tag brach Antros den Schwur und forderte seinen Freund heraus:
    »Der Stärkere läuft vorn.«
    Die beiden kämpften zwei Tage und zwei Nächte erbittert gegeneinander. Sie waren gleich stark. Doch beide waren zu stolz, um aufzugeben. Bald ging es um weit mehr
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