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Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Titel: Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren
Autoren: Oliver Bantle
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Lass es uns noch mal versuchen.«
    »Vergiss es«, antwortete Yofi und zottelte davon.
    Sie durchschritten weites Grasland. Gegen Mittag wurden die Schritte des Großvaters bedächtiger. Irgendwann blieb er stehen.
    »Lass uns hier innehalten.«
    Wieso denn? Das ist doch kein Rastplatz.
    Als könne er Gedanken lesen, fuhr der Alte fort: »Auch wenn es nicht schattig ist.«
    Auf einmal verstummten die Zikaden und die Kröten. Es wurde still.
    Yofi wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, spürte aber, dass etwas Außergewöhnliches in der Luft lag. Meru rieb das Horn auf der Erde und weinte.
    »Bitte stell dich neben mich«, sagte er leise.
    Die traurige Stimmung ergriff nun auch den Enkel. Langsam lief er zum Großvater, der seinen Kopf hin und her schwenkte.
    »Alles auf dieser Welt verändert sich. Nichts bleibt, wie es war. Alles ist immer schon so, wie es wird«, predigte Meru feierlich. »Hier wurde mein Sohn getötet.«
    Es dauerte eine Weile, bis Yofi wirklich begriff, wo sie standen. Er zitterte und fing ebenfalls an zu weinen.
    Papa ist also auch gewandert ...
    Yofi schluchzte. Er spürte wieder, wie sehr er seinen Vater früher vermisst hatte.
    »Es steht mir nicht zu, mich in die Pläne des Lebens einzumischen«, sagte Meru mit gedämpfter Stimme, als spräche er mit sich selbst. »Aber Eltern sollten vor ihren Kindern sterben dürfen.«
    Sie verweilten noch lange und schwiegen. Es war längst dunkel, als sie einen Schlafplatz suchten.
    »Hat mein Vater sich morgens auch besonnen?«, flüsterte Yofi in die Stille.
    »Ja, das hat er«, antwortete Meru. »Aber lange Zeit fiel es ihm sehr schwer.«
*
    Am nächsten Morgen war Yofi zuerst wach. Es dämmerte. Er rappelte sich hastig auf, entfernte sich ein wenig von der Schlafstelle, postierte sich im hohen Gras und schloss die Augen. Kurz darauf öffnete er sie wieder: nichts.
    Es war rein gar nichts passiert.
    Was soll denn daran gut sein?
    »Schlecht geschlafen?«, hörte er Meru fragen.
    »Ich will mich besinnen. Es klappt nicht.«
    »Woran hast du dabei gedacht?«
    »An nichts.«
    »Dann hat es geklappt«, sagte Meru mit freundlicher Ironie.
    Yofi fühlte sich wieder einmal nicht ernst genommen.
    Der Alte stellte sich neben ihn und sagte: »Zu zweit macht es manchmal mehr Freude. Schließ einfach die Augen und atme.«
    Yofi senkte die Lider und wartete. Wieder nichts. Er blinzelte, sah, dass Meru bereits versunken war, und machte die Augen ein drittes Mal zu. Da hörte er die Kröten.
    Verdammte Kacke!
    Er versuchte sie zu ignorieren. Die Kröten schienen das zu merken und quakten lauter.
    Die machen alles kaputt!
    Meru ließ sich offenbar nicht stören.
    »Es hat wieder nicht geklappt«, beschwerte sich Yofi, nachdem der Großvater das Ritual beendet hatte.
    »Die Kröten waren zu laut.«
    »Wunderbar, du machst Fortschritte.«
    Der Enkel zog eine Schnute.
    »Du hast die Kröten gehört, das ist exzellent«, sagte Meru.
    »Ohne sie hätte ich es geschafft.«
    »Vielleicht.«
    Yofi fühlte sich angegriffen.
    »Willst du damit sagen, dass ich unfähig bin, egal wie still es ist?«
    Meru antwortete:
    »Wenn ich das meine, dann sage ich es auch. Die Kröten quaken immer in dieser Gegend. Sogar nachts. Sie sind dir aber erst aufgefallen, als du dich besonnen hast.«
    »Und was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen?«
    Yofi war noch immer verärgert.
    »Du hast das Beste daraus gemacht: auf sie geachtet Wenn du willst, üben wir morgen weiter.«
    Sie trappelten durch die offene Savanne. Yofi blieb manchmal stehen, um herauszufinden, wohin er wollte. Er musste sich erst daran gewöhnen, die Richtung zu bestimmen.
    »Vertraue einfach darauf, dass das Leben dich führt.«
    Yofi tat so, als habe er den Großvater nicht gehört.
    Alte Nashörner können mit ihrer Weisheit ganz schön nerven.
    Gegen Mittag erreichten sie einen Fluss. Während Yofi noch seinen Durst löschte, wälzte sich Meru bereits im Wasser.
    »Komm!«, rief er.
    Yofi blickte skeptisch. Er hatte lange nicht mehr gebadet. Auch nicht während der Regenzeit.
    Kinderkram.
    Meru prustete vor Freude.
    »Das war einmal deine Lieblingsbeschäftigung. Irre ich mich?«
    »Als ich klein war.«
    »Das hört sich sehr erwachsen an.«
    »Na und?«
    »Baden ist gut für Haut und Seele – in jedem Alter«, sagte der Großvater.
    »Das könnte von meiner Mutter sein.«
    »Daran merkt man, wie klug sie ist.«
    Yofi hatte kein Interesse an dem Gespräch. Meru grunzte behaglich.
    »Sei weniger streng mit dir und
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