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Xperten 1.2 - Der Mindcaller

Xperten 1.2 - Der Mindcaller

Titel: Xperten 1.2 - Der Mindcaller
Autoren: Hermann Maurer
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Schule so gut, dass er nebenbei intensiv Klavier lernt und in einer Maori-Tanzgruppe mitmacht. Herbert lernt von seinem Vater jenen Respekt vor der Natur, der eigentlich ein Teil der Maori-Tradition ist. Sein Vater erzwingt eine Kurve beim Straßenausbau, um eine Gruppe von Bäumen zu retten, in denen Dutzende Vögel nisten; er weckt Herbert mitten in der Nacht, um ihm die Meteoritenschauer der Perseiden zu zeigen; er erklärt Herbert Blumen und Sträucher auf langen Spaziergängen; Herberts Mutter steuert die einheimischen Namen bei und beschreibt, wozu die Blätter, Kräuter und Beeren verwendet werden können.
    [38] Whakarewarewa ist ein Maori Dorf in Rotorua, dem »Yellowstone« Neuseelands. Direkt neben der Siedlung, dem Marae, gibt es Geysire, heiße Quellen, Seen, Schlammtümpel und andere vulkanische Erscheinungen.

    Bei einem Ausflug in eine nahe aber kaum bekannte kleine Tropfsteinhöhle zeigt der Vater Herbert erstmals einen Helicaliten, jene Kalkformation, die nicht wie normale Tropfsteine von oben nach unten oder umgekehrt wächst, sondern die spiralförmig aus der Wand, parallel zum Boden, herausragt. Als Herbert diesen Stein abbrechen will, ist es das einzige Mal, dass sein Vater ernsthaft böse wird: »Herbert, hast du noch immer nicht gelernt, dass man solche Naturwunder um nichts in der Welt zerstören darf? Dieser Stein, von dem niemand weiß, wie er eigentlich entsteht 39 , ist tausende Jahre alt, und du willst ihn töten?«

    Die Familie von Herberts Mutter erkennt, dass ihre Tochter nicht von einem Ausländer leichsinnig verführt wurde, sondern dass die beiden ungewöhnlich gut harmonieren. So ändert sich auch die Einstellung der Maoris in Whakarewarewa gegenüber dem Deutschen, er und seine Familie werden in den Familienverband rückhaltlos aufgenommen und sind ab dann immer gern gesehene Gäste. Herbert wächst so zwischen zwei Welten auf, ein geschicktes, begabtes und glückliches Kind.

    Der Ausflug zur Hotwater-Beach in den Koromandels, jener Attraktion, wo am Meeresstrand heiße Quellen austreten, die sich mit dem kalten Wasser des Meeres mischen, und wo sich jede Gruppe eine große »Badewanne« in den Sand gräbt, die sie dann gegen die steigende Flut zu verteidigen hat, beginnt fröhlich, verläuft harmonisch und endet mit einer Katastrophe. Bei der Rückfahrt stößt ein betrunkener Lastwagenfahrer frontal mit dem Auto der Familie zusammen. Herberts Vater ist auf der Stelle tot, Herbert und seine Mutter kommen schwer verletzt in das moderne Waikato Spital in Hamilton. Beide werden gerettet, doch der Preis ist hoch; nach drei Monaten intensiver Behandlung werden sie von den Verwandten aus Whakarewarewa abgeholt. Die Mutter ist von der Hüfte abwärts gelähmt, sie wird nie mehr gehen können, Niere und Leber sind permanent beeinträchtigt. Die Mehrfachfrakturen in den Beinen Herberts bewirken, dass dieser, inzwischen 9-jährig, die längste Zeit nur auf Krücken gehen kann und wohl nie mehr seine volle Gelenkigkeit zurückgewinnen wird.
    So sehr sich alle im Dorf um Mutter und Herbert bemühen, der Verlust des geliebten Vaters und Ehemanns ist zu groß, der Vergleich zu ihrem glücklichen Leben vor dem Unfall ist kaum auszuhalten. Herbert ist bemüht, sich den neuen Umständen anzupassen. Die Maori Kinder seines Alters helfen, wo es geht, aber sie sind Kinder, und wollen keinen »Klotz am Bein«, so dass Herbert oft stundenlang nach der viel zu leichten Schule am Bett seiner Mutter sitzt, die ihm wundersame Maori-Legenden und Geschichten erzählt, oder in denen er durch die mit vielen vulkanischen Erscheinungen durchsetzte Buschlandschaft herumstreift.

    Sein zehnter Geburtstag wird ein einschneidendes Erlebnis. Herbert hat immer die großen Murmeln bewundert, die mit buntem Glas durchzogen sind. Als am Morgen seines zehnten Geburtstags immer wieder an die Wohnungstür geklopft wird und jede Familie eine Glaskugel vorbeibringt, sind Herbert und seine Mutter durch dieses Zeichen von Zusammenhalt zutiefst berührt. Herbert erkennt, warum er immer auf seine Halb-Maori Herkunft stolz sein wird. Die Großmutter hat ein großes Festessen bereitet und am frühen Nachmittag ziehen sich alle satt und zufrieden auf eine Ruhestunde zurück. Herbert nimmt seinen Sack mit Glaskugeln und zieht sich an seinen ‚geheimen‘ Platz zurück, jene Stelle, wo in ein eher seichtes Becken heißes Wasser vermischt mit Schwefeldämpfen einströmt. Herbert sitzt dort, lässt eine Kugel nach der anderen durch
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