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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
Autoren: Stephen Baxter
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logischer Vielfalt erfreuen würde. Er würde gedeihen und auf einer Leiter aus Theoremen emporklettern, bis er schließlich den Himmel selbst berührte. Diesmal würde es ihm gelingen. Daran hatte er keinen Zweifel.
    Und dann würde er…
    Er sah einen lautlosen Lichtpuls tief unter sich.
    Er schaute nach unten, und Angst brandete gegen ihn an. Es war, als ob ein Deckel aus Licht sich über den Pool unter ihm geschoben hätte. Er strahlte in tödlichem Licht und verödete seine axiomatischen Wurzeln.
    Eine Rodung.
    In Agonie schaute er auf. Er versuchte, sich an die informationsgesättigte Flanke der Postulat-Frucht zu schmiegen, doch sie befand sich knapp – grausam knapp – außerhalb seiner Reichweite.
    Seine Wurzeln rollten sich bereits ein und zogen sich zurück.
    In seiner Wut machte er einen Satz an der Hypothesen-Frucht vorbei und griff nach dem Himmel. Er durchstieß die vollkommene Struktur, und seine ganze Energie strömte in sie hinein!
    … Und für einen göttlichen Moment stand er jenseits des Himmels und fasste in etwas Warmes, Nachgiebiges, Schwaches. Ein kleiner Ausschnitt des Himmels trübte sich wie ein Bluterguss.
    Erschöpft zog er sich zurück. Er wunderte sich über den Wutausbruch.
    Der Himmel wölbte sich über ihm wie eine riesige leuchtende Schüssel, während er schrumpfte und auf die abgepflückte Grundfläche zurückgeworfen wurde. Er und Millionen von Knospen-Nachfahren, deren Gesichter diesem für immer unerreichbaren Licht zugewandt waren…
    Nein, sagte er sich, als die Leere der Rodung in seinem Bewusstsein sich ausbreitete. Nicht für immer. Jedes Mal überstehe ich, das innere Ich, die Rodung. Nur ein kleiner Teil von mir, aber jedes Mal ein wenig mehr. Jedes Mal werde ich stärker, entschlossener und hungriger aus ihr hervorgehen.
    Und dann, sagte er sich, dann werde ich den Himmel durchstoßen. Und dann wird es keine Rodung mehr geben.
    Schreiend verschwand er in der Rodungs-Grundfläche.
    * * *
    Der Gleiter war neu, eng und roch nach Kunststoff. Beim Landeanflug war außer dem turbinenartigen Sirren der Düsen nichts zu hören. Dann setzte er sanft auf der Oberfläche von Nereide auf, eine Meile von Marsdens Kuppel entfernt.
    Chen spähte durch die Kabinenfenster auf die desolate Mondlandschaft. Marsdens Kuppel erhob sich knapp über den Horizont. Sie verkörperte ein Stück Heimat auf diesem tristen Himmelskörper. »Teufel«, sagte Chen. »Ich hasse solche Aufträge. Eremiten. Bei denen muss man immer mit Überraschungen rechnen.«
    Hassan lachte. Das Lachen wurde gedämpft, als er das Helmvisier herunterklappte. »Verlierst du so leicht die Fassung? Und ich dachte, ihr Polizisten wärt hartgesotten.«
    »Ex-Polizistin«, korrigierte Chen und wies mit der beschuhten Hand auf die Kuppel. »Schau dir das an. Was für ein Mensch haust jahrelang mutterseelenallein an einem solchen Ort?«
    »Genau das sollen wir herausfinden.« Bayliss, die dritte Person im Gleiter, richtete den Kopfhörer mit präzisen Bewegungen ihrer kleinen Hände. Chen ertappte sich dabei, wie sie diese kleinen Hände fasziniert anstarrte; sie sahen aus wie Vogelkrallen, sagte sie sich mit einem Hauch von Ekel. »Marsden war ein guter Physiker«, sagte Bayliss. Ihre optoelektronisch verstärkten Augen funkelten. »Er ist ein guter Physiker, meine ich. Die frühen experimentellen Arbeiten über Quanten-Nonlinearität sind noch immer…«
    Hassan ignorierte Bayliss. »Dann bist du also an deine empatischen Grenzen gestoßen, Susan Chen«, sagte er und lachte.
    »Quatsch nicht«, grollte Chen.
    Hassan öffnete die Luke des Gleiters.
    Einer nach dem andern, Chen zuletzt, schwebten sie wie große Schneeflocken zur Oberfläche hinab. Die Sonne war ein großer Stern, der dicht über dem Horizont des kleinen Mondes stand. Messerscharfe Schatten wanderten über die Oberfläche des Satelliten. Chen stocherte mit den Stiefeln auf der Oberfläche und wirbelte uralten pulvrigen Regolith auf. Der Boden war jungfräulich. War er die längste Zeit gewesen.
    Hinter Marsdens Kuppel hing die große Kugel von Neptun. Sie war Erdblau und wirkte wie eine aufgepumpte Version des Heimatplaneten. Zirruswolken warfen klar konturierte Schatten auf Methanmeere tausend Meilen unter ihnen. Das neue Wurmloch-Interface glitt an Neptun vorbei. Es war ein babyblau und golden glühender Tetraeder mit blinkenden Lichtern, die den jeweiligen Betriebszustand anzeigten. Chen schaute sehnsüchtig zu ihm hinauf.
    »Schaut euch diese
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