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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss
Autoren: Stephen Baxter
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Meter entfernt; es war, als säße er auf dem Turmkreuz eines Domes. Der Gürtel, der durch die den Stern umgebende Wolkenwand vage zu erkennen war, war eine Kette von Schachteln, die durch den Himmel rollten, und seine Kabel schleuderten die Kabinen und Werkstätten alle fünf Minuten durch eine volle Umdrehung.
    Rees hatte sich oft die Abfolge der Ereignisse vorgestellt, die dieses Schauspiel hervorgebracht hatten. Der Stern mußte schon vor vielen Jahrhunderten das Ende seines aktiven Lebens erreicht gehabt und nur einen langsam rotierenden Kern aus weißglühendem Metall zurückgelassen haben. Ganze Inseln von festem Eisen hatten sich in diesem Feuermeer gebildet, waren kollidiert und hatten sich dann vereinigt. Schließlich mußte sich eine Haut um das Eisen gelegt haben, die dicker wurde und schließlich erkaltete. Währenddessen waren Luftblasen eingeschlossen worden, die die Kugel mit Höhlen und Tunneln durchzogen und sie so für Menschen zugänglich machten. Dann hatte die sauerstoffhaltige Luft des Nebels mit dem glänzenden Eisen reagiert und es mit einer braunen Rostschicht überzogen.
    Wahrscheinlich war der Sternenkern jetzt bis ins Innerste erkaltet, aber Rees liebte es, sich einzubilden, er könne ein schwaches Glühen von Hitze unter der Oberfläche spüren, der letzte Abglanz des Sternenfeuers…
    Die Stille wurde von einem Wimmern hoch über ihm unterbrochen. Etwas Glitzerndes raste abwärts durch die Luft, schlug einen Meter von Rees’ Stuhl entfernt mit einem leichten Knall auf dem Rost auf und hinterließ einen neuen Krater von einem Zentimeter Durchmesser; ein kleines Dampfwölkchen versuchte sich gegen die Anziehungskraft des Sternes zu behaupten.
    Nun schossen noch mehr von diesen kleinen Raketen durch die Luft, und der Stern erzitterte unter den Einschlägen.
    Regen. Beim Fallen wurde er durch eine Schwerkraftwelle von fünf Gravos in einen Hagel aus dampfenden Kugeln verwandelt.
    Rees fluchte und tastete nach dem Kontrollfeld. Der Stuhl rollte vorwärts, und jeder Stoß und jedes Tal in der Landschaft nahmen ihm den Atem. Er war immer noch einige Meter vom nächsten Mineneingang entfernt. Warum war er nur so unvorsichtig gewesen, zu einer Zeit, zu der man mit Regen rechnen mußte, allein zur Oberfläche hinunterzufahren? Der Regenschauer wurde dichter und schlug überall um ihn herum auf der Oberfläche ein. Er duckte sich, klammerte sich an seinen Stuhl und wartete darauf, daß der Regen seinen Kopf und seine entblößten Arme erreichte.
    Der Eingang zur Mine war ein langes, in den Rost gefrästes Rechteck. Sein Stuhl rollte quälend langsam einen leichten Abhang hinunter in die Tiefen des Sterns. Endlich schob sich die Schachtdecke über seinen Kopf. Der Regen, vor dem er nun sicher war, klatschte in den Rost.
    Nachdem er ein paar Minuten lang gehalten hatte, um sein wild schlagendes Herz zur Ruhe kommen zu lassen, rollte Rees auf dem leichten, kurvenreichen Abhang weiter abwärts; das Licht des Nebels wurde schwächer und wich schließlich der weißen Glut einer Kette von überlegt plazierten Lampen. Rees schaute im Vorbeifahren zu ihnen auf. Niemand wußte, wie die faustgroßen Leuchteinheiten funktionierten. Anscheinend hatten die Lampen jahrhundertelang unbeachtet dort gebrannt – zumindest viele von ihnen; hier und da wurde die Lichterkette von einer defekten Lampe unterbrochen. Rees schauderte, als er durch die dunklen Sektoren fuhr; es war typisch für ihn, daß seine Gedanken durch die Jahre in eine Zukunft rasten, in der die Bergleute ohne die alten Lampen würden auskommen müssen.
    Nach einer Fahrt von fünfzig Metern – einem Drittel des Sternumfangs – waren das Licht des Nebels und der Lärm des Regens verschwunden. Er erreichte eine breite, zylindrische Kammer, deren Decke zehn Meter über der Oberfläche des Sterns lag. Rostfreie Wände glänzten im Lampenlicht. Das war der Eingang zu dem eigentlichen Bergwerk; in die Wände der Kammer waren die Mündungen von fünf Rundwegen eingelassen, die tiefer in das Herz des Sterns führten. Die Maulwürfe förderten und veredelten das Eisen in den Korridoren und brachten es in bearbeitbaren Mengen an die Oberfläche zurück.
    Die eigentliche Funktion der Menschen, die hier unten arbeiteten, bestand darin, die begrenzte Entscheidungsfähigkeit der Maulwürfe zu ergänzen – zum Beispiel, indem sie die Förderkapazität der Maulwürfe regelten oder das Meißeln neuer Transportwege, die um defekte Förderkörbe herumgeführt
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