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Wünsche (German Edition)

Wünsche (German Edition)

Titel: Wünsche (German Edition)
Autoren: Tobias Jäger
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der Richter?«
    »Ja, das bin ich«, sagte Richter Ahrens und trat ein bisschen näher an Julians Bett. »Und du scheinst ein tapferer junger Mann zu sein. Aber Adoptionen sind eine ernste Angelegenheit, die man nicht einfach wieder rückgängig machen kann. Deshalb muss ich dir ein paar Fragen stellen. Meinst du, dass du das kannst?«
    »Ja«, antwortete Julian.
    Seine Stimme klang fest und entschlossen. Ich war unheimlich stolz auf ihn.
    »Julian, ich weiß, dass du Herrn Engel erst gestern kennengelernt hast. Ich weiß auch, dass dir gesagt wurde, dass du sterben wirst. Ich glaube, wir wissen beide, dass das hauptsächlich der Grund für deinen Wunsch ist. Ich habe Verständnis dafür, dass du gerne einen Vater hättest, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Aber ‒«
    »Was ist falsch daran, einen Vater haben zu wollen?«, unterbrach Julian ihn.
    »Überhaupt nichts«, antwortete der Richter. »Aber ich muss viele Dinge in Betracht ziehen. Auch wenn das für dich vielleicht schwer zu verstehen ist. Was wäre, wenn du nicht so krank wärst? Würdest du dann immer noch wollen, dass Herr Engel dich adoptiert?«
    »Ja«, sagte Julian laut, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
    »Warum?«
    »Keine Ahnung. Es ist einfach so. Ich glaube, er wäre ein toller Vater. Außerdem hat er mir gesagt, dass er mich auch adoptieren würde, wenn ich nicht sterben würde.«
    Richter Ahrens schaute mich einen Moment an. Dann lächelte er und öffnete seine Tasche.
    Ich ging zu Julian ans Bett und nahm seine Hand. Ich konnte nicht glauben, dass ich das wirklich machte. Aber ich wusste, dass ich es nicht tat, weil Julian sterben würde und ich diese Verantwortung nur für eine kurze Zeit zu tragen hatte. Ich drückte seine Hand kurz und er drückte meine als Antwort.
    Richter Ahrens räusperte sich und zog einen Kugelschreiber aus der Tasche. Er schaute noch einmal Julian und mich an, dann unterschrieb er die Adoptionspapiere.
    »Herzlichen Glückwunsch, Julian. Du hast nun einen Vater.«
    Ich beugte mich nach vorne und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Julian schlang seine Arme um meinen Hals und hielt mich fest. Dann flossen die Freudentränen.
    »Danke, Herr Ahrens«, brachte er irgendwie heraus.
    »Es war mir ein Vergnügen«, sagte der Richter und grinste.
    Julian ließ mich los und ich gab Richter Ahrens die Hand. Auch ich bedankte mich bei ihm, während ich mir schnell die eigenen Tränen aus den Augen wischte. Dann widmete ich mich wieder Julian und nahm ihm vorsichtig die Brille ab, um ihm die Tränen aus dem Gesicht zu wischen.
    »Eine Frage habe ich noch, Julian.«
    »Ja?«
    »Du kannst deinen Nachnamen behalten oder du kannst ihn ändern lassen. Das musst du noch entscheiden.«
    Ich dachte, er würde zumindest einen Augenblick darüber nachdenken, aber Julian antwortete sofort.
    »Ich möchte den Nachnamen von meinem Papa«, sagte er.
    »Kein Problem«, antwortete Richter Ahrens und füllte ein weiteres Formular aus. »Das wird sofort Montag Früh erledigt, dann ist es offiziell«, verkündete er und steckte die Unterlagen wieder ein.
    »Julian Engel...«, sagte Julian und lächelte. »Das klingt cool.«
    Der Richter ging an Julians Bett, nahm seine Hand und drückte sie kurz.
    »Viel Glück euch beiden«, sagte er. »Aber wenn ihr mich entschuldigen würdet, meine Frau vermisst mich sicher schon.«
    Wir verabschiedeten uns ‒ auch von Sebastian, der die ganze Zeit bei uns gestanden und alles beobachtet hatte. Dann waren Julian und ich alleine in seinem Zimmer.
    »David ... äh ... Papa?«, fragte Julian schüchtern.
    »So hat mich noch nie jemand genannt«, sagte ich.
    Julian lachte.
    »Was wolltest du fragen?«
    »Nimmst du mich mit nach Hause?«
    »Zu mir nach Hause?«, fragte ich. Kaum dass die Worte ausgesprochen waren, hätte ich mich am liebsten selbst in den Hintern getreten.
    »Es ist jetzt auch mein Zuhause, oder?«, fragte er und runzelte die Stirn.
    »Ja, das ist es«, sagte ich und streichelte ihm über die Wange. »Aber ich glaube nicht, dass dich die Ärzte nach Hause gehen lassen. Du bist schrecklich krank.«
    »Ich bin nicht krank. Ich sterbe«, sagte Julian. »Was interessiert es die Ärzte, wo ich sterbe? Ich möchte mit dir nach Hause gehen.«
    Ich konnte die Entschlossenheit in seinen Augen sehen. Wie konnte man diesem Jungen auch nur einen Wunsch abschlagen?
    »Ich suche mal Dr. Hartmann und rede mit ihm, okay? Mal sehen, was sich machen lässt.«
    »Okay.«
    Ich stand auf, streichelte ihm noch
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