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Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Titel: Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Autoren: Ross Thomas
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Vulkangrat, der auf der einen Seite kaiserliche Marineinfanterie zu bieten hatte und einen herrlichen Blick auf das Meer um Camotes auf der anderen.
    Stallings zerrte das visierlose Garand unter dem toten Mann hervor. Ohne erst das Blut abzuwischen, löste er die Sicherung und richtete das Gewehr auf den hockenden Guerillero, der es ignorierte und weiter Profettes Blut mit einer Handvoll wildem Schuppengras von seinem Bolo wischte.
    »Warum, zum Teufel, hast du ihn nicht bloß ein bißchen gepiekst?« knurrte Stallings.
    Der Guerillero Espiritu prüfte sorgfältig das armlange Bolo, bevor er es wieder in die selbstgemachte Holzscheide schob. »Er hätte schreien können«, sagte er schließlich und deutete mit dem Kinn ins Tal hinab, wo nun eine lange Reihe kaiserlicher Marines eilig über die Lichtung zog. »Mindestens eine Kompanie«, sagte er. »Genau wie du und ich gedacht haben.«
    Booth Stallings ließ den Blick zu den dahineilenden kaiserlich-japanischen Marines schweifen, dann zu dem toten amerikanischen Sanitäter und zurück zu dem Filipino-Guerillero. Ihm kam in den Sinn, daß dies der zweite Filipino war, dessen nähere Bekanntschaft er gemacht hatte; der erste war ein Edmundo Sowieso aus San Diego gewesen, der wie ein Rotkehlchen jeden Frühling vor Stallings’ Grund- und Sekundärschule aufgetaucht war, um im Auftrag von Duncans Jojo-Vermarktern deren Produkt vorzuführen. Edmundo konnte ein Jojo dazu bringen, so ziemlich alles zu tun, und drei Lenze seiner Kindheit lang hatte Booth Stallings eine begrenzte Anzahl Privatstunden zu exorbitanten fünfzig Cent die Stunde genommen, bis er mit dreizehn Masturbation, Lucky Strikes und Mädchen entdeckte – in etwa dieser Reihenfolge.
    »Und was, verflucht noch mal, erzählen wir dem Major?« fragte Stallings.
    Der zweiundzwanzig Jahre alte Guerillero schien die Frage mit Bedacht abzuwägen. »Wir – du und ich – werden Major Crouch erzählen, daß unser gefallener Kamerad heldenhaft bei der Verteidigung der Nachhut umgekommen ist.« Er hielt inne und musterte gedankenvoll den toten Profette. »Bis zum Morgen haben ihn die wilden Schweine gefressen.«
    Ein Dutzend Sekunden lang starrte Booth Stallings den immer noch hockenden Guerillero mit einer gefrorenen Miene an, die Mißbilligung für alles ausdrückte. Denn während dieser zwölf Sekunden war Stallings über etwas gestolpert, das für ihn ein neues und tröstliches Credo war, eine Offenbarung gewissermaßen, die säuberlich den moralischen Imperativ herausschnitt und ihn nicht nur erquickt zurückließ, sondern auch weiser und älter. Viel älter. Mindestens sechsundzwanzig.
    Immer noch mit derselben gefrorenen Miene und empfindungslos für den Schweiß, der darüber rann, sprach Stallings mit seiner neuen, kalten Erwachsenenstimme.
    »Du hast ’ne ganze Menge Elaste da oben in deinem Kopf, nicht wahr, Al? Ich meine, du kannst es dehnen und um so ziemlich alles herumwickeln, was du willst.«
    »Ich glaube schon«, sagte Alejandro Espiritu, lächelte beinahe, besann sich eines Besseren und setzte von neuem an. »Ich glaube, wir sollten den armen Profette hier für einen postumen Orden vorschlagen – einen Bronze- oder Silver-Star vielleicht?«
    Booth Stallings starrte hinab auf den toten Sani und gestrauchelten Quäker. »Scheiße noch mal«, sagte er. »Warum nicht gleich das Verdienstkreuz Erster Klasse.«

1
    Um drei Uhr nachmittags zitierten sie Booth Stallings, den Terrorismusexperten, in die Bibliothek des siebenstöckigen Stiftungsgebäudes östlich des Dupont Circle auf der Massachusetts Avenue und feuerten ihn bei einem Glas leidlich guten spanischen Sherry. Es war an den Iden des März, die 1986 auf einen Samstag fielen, und genau zwei Monate nach Booth Stallings’ sechzigstem Geburtstag.
    Der Rausschmiß wurde, soweit Stallings erkennen konnte, ohne jeden Skrupel von Douglas House erledigt, dem fünfunddreißig Jahre alten Geschäftsführer der Stiftung. Selbstverständlich erledigte House es höflich, ohne eine Spur von Schärfe und mit etwa demselben Maß an Bedauern, das er ausdrücken würde, wenn er die Vertriebsabteilung der Washington Post anriefe, um sein Abonnement für die Urlaubszeit auszusetzen.
    Es war der einundfünfzig Jahre alte Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Frank Tomguy, der ihm pro forma die Ego-Massage verpaßte, für die er eine entschuldigende, gar respektvolle Miene sowie einen seiner dreiteiligen 1100-Dollar-Anzüge trug. Tomguy ließ sich weitschweifig über
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