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Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Titel: Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Autoren: Ross Thomas
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kontrollieren, ob seine Erinnerung an wichtigen Stellen nicht trügt.
    Wir könnten den gesamten Roman auseinandernehmen, für jedes historische und zeitgenössische Detail würden wir einen Beleg finden. Wir können aber auch ungebremst Ross Thomas’ analytischen und prognostischen Scharfsinn rühmen und tun dies gerne und voller Bewunderung. Auch heute noch treiben sich Ableger der kommunistischen Guerilla herum und erpressen Subsidien von der dramatisch verarmten Landbevölkerung; auch heute noch, unter Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo (ein bekannter Clan, was sonst … ), geht die Angst vor einem Militärputsch um. In den feineren politischen Kreisen von Manila ist »Putschangst« auch immer noch die opportune Legitimationsstrategie für allerlei unschöne Aktionen. Neu ist lediglich das Auftreten muslimischer Terror- und Guerilla-Tätigkeiten, obwohl wie schon zu Ross Thomas’ Zeiten nur fünf Prozent der Bevölkerung Muslime sind. Aber die Struktur des Arguments ist immer noch die gleiche und seine Wirksamkeit wohl auch.
    Insofern ist alles in der Tat »wirklich« in Am Rand der Welt. Alles ist »wahr«, alles wirkt echt, stimmig, plausibel und heute, zweiundzwanzig Jahre später, noch so aktuell. Diese zeitlose Haltbarkeit, eben weil die Bücher so peinlich genau mit ihrem zeitlichen Kontext umgehen, ist sicher ein ganz großer Vorzug von Ross-Thomas-Romanen. Nur Unpräzises, Schwammiges veraltet.
    Aber dennoch würde man die Romane, reduzierte man sie auf diesen Aspekt, unzulässig verkürzen.
    Denn die Forderungen, ein Roman habe zu erklären, »wie es zugeht auf dieser Welt«, oder ein Roman sei aufgrund seiner akribischen Wirklichkeitsabschilderung schon per se »demokratisch« legitimiert, oder ein Roman leiste irgendwelche politischen Analysearbeiten – diese Forderungen entspringen samt und sonders einem heute sehr naiven Konzept: dem des frühaufklärerischen prodesse et delectare, gemäß dem das schlechte – christliche – Gewissen am Vergnügen zumindest durch den Nutzen legitimiert werden muß. Höchstens Trivialliteratur vom Schlage eines John Grisham tut so etwas heute noch.
    Ross-Thomas-Romane aber erklären keinesfalls, wie es zugeht auf der Welt.
    So auch hier nicht: Denn daß mehrere Gruppen von Menschen fünf Millionen Dollar zu sehr unterschiedlichen Zwecken abgreifen, daß andere Gruppen von Menschen aus sehr unterschiedlichen Gründen sie daran hindern möchten, daß es dabei zu unglücklichen »Kollateralschäden« und wegen allzu großer Gier auch zu weniger betrüblichen Todesfällen kommt, und daß am Ende die intelligenteren (nicht die brutaleren) Leute die Kohle haben – das erklärt nicht die Welt, das erklärt sich alles aus der condition humana und außerdem von selbst.
    Auch daß dergleichen Geschichten, wenn man daraus intelligente Romane machen möchte, in einem bestimmten Umfeld spielen müssen, die der Autor präzise und genau zu beschreiben hat und die im Einklang mit der realen Faktenlage der Zeit stehen müssen, »erklärt« die Welt ebenso wenig. Was wiederum deswegen gut so ist, weil das Vexierspiel, wenn es sich in seiner rasanten, schillernden und komplexen Pracht entfalten soll, keine Erklärungen braucht.
    Ross Thomas setzt die Kenntnis der Realität und der Realitäten voraus, dann fängt er an, mit ihnen zu spielen. Und dann gibt »die Wirklichkeit« – in ihrer ganzen chaotischen Verfaßtheit und Wesensart – alle Möglichkeiten und Potentiale und Loopings her, die recht eigentlich eine Geschichte von Menschen ausmachen. Der Autor ist derjenige, der die Figuren mitten in diese Wirklichkeit hineinwirft und sie dann so agieren läßt, wie Menschen immer in Geschichten verstrickt sind: Nicht nur primär als »Akteure«, sondern »als Wesen, bei denen Aktionen und Kontingenz sich legieren, Handlungen und Zufälle sich mischen« (Odo Marquard). Dafür, und damit wir unser Vergnügen an einer nachvollziehbaren, faktisch vorhandenen (und nicht irgendeiner losgelösten Phantasiewelt geschuldeten) Realität haben können, braucht Ross Thomas wie sein Kollege Ambler »die Wirklichkeit«. Was dann mit ihr passiert, erklärt sich aus seinem Roman.
    Am Rand der Welt ist nicht umsonst der Roman, der am nächsten an der konkreten Realität siedelt, und gleichzeitig der Roman mit dem aberwitzigsten, hinterfotzigsten, schon fast parodistischen Plot.
    „Weltgeschichte und literarisches Zitat, die Iden des März und »siebzehnhundertnochwas« haben einen tief
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