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Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle

Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle

Titel: Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
Autoren: Ross Thomas
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feiern. Politische Manipulationen und Erpressungen, frisierte und »gestohlene« Wahlen, korrupte Gewerkschaften und Regierungsbehörden, Supermacht Amerika zwischen Watergate und Debategate, die mächtigste (und lautstärkste) Demokratie der Welt als Beutestück für Triebmenschen, die ihre Hauer ins Aas schlagen und dabei wohlig grunzen: »Geld ist Liebe« – wie sollen wir da noch mit einem simplen Elternmord im Unterbewußtsein auskommen und am Wahlsonntag mit dem Gefühl nach Hause gehen, wir hätten unsere staatsbürgerliche Pflicht erfüllt?
    Ich warne also die labilen Wechselwähler der schwankenden Mitte vor Büchern wie The Porkchoppers / Wahlparole: Mord – andererseits sehe ich nicht, wo die Alternative zu Ross Thomas sein könnte, wenn wir der bedauerlichen, aber unabänderlichen Tatsache ins Gesicht sehen wollen, daß Politik unser Schicksal ist. In der Bundesrepublik hat es bisher nur einen einzigen erwähnenswerten Versuch gegeben, politische Mechanismen so zu zeigen, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollten, und das war das Tagebuch einer Schnecke von Günter Grass – Bericht einer Wahlkampfreise, bezeichnenderweise, und kein Roman. Sjöwall/Wahlöö haben sicher ein halbwegs realistisches Bild einer Gesellschaft entworfen, die schon gefährlich weit auf dem Weg in die fromme Diktatur der Sozialingenieure, die nur unser Bestes wollen, vorangekommen ist, aber ihre Bücher sind verschleiert von Ideologie und verhangen von Zorn. Die meisten Spionageromane basieren bisher noch auf der Überzeugung (manche würden es eine Illusion nennen), daß der Westen so etwas wie eine moralische Überlegenheit beanspruchen kann – als hätte Attila der Hunne den Kommunismus irgendwo in der Taiga eingegraben und Josef Stalin ihn wieder ausgebuddelt. Die übliche Weltschmerz-Literatur, wie sie verständlicherweise gerade von den Deutschen geliebt, gehätschelt, wenn auch nicht gerade in übermäßig hohen Auflagen genossen wird, hat soviel politische Relevanz wie jene Selbsterfahrungsgruppen, die sich in der hohen Schule des Masturbierens üben – von ihrem Unterhaltungswert einmal abgesehen. Die Lateinamerikaner sind faszinierend, nun ist die Bundesrepublik jedoch – wie gewöhnlich gut unterrichtete Kreise wissen lassen – keine Bananenrepublik; so bleibt mir, wenn ich mich über die Strukturen dessen informieren will, was im Fachjargon der demokratische Entscheidungsprozeß genannt wird, letztlich nur das Studium amerikanischer Quellen. Wenn ich zu einem Thriller von Ross Thomas greife, fällt mir dann unwillkürlich Jimmy Carter und der Titel seiner Autobiographie ein: »Why not the best?«
    Warum der Thriller wahrscheinlich das legitimste literarische Kind dieses Jahrhunderts ist, darüber spekulieren erlauchte Geister schon lange – wenn auch nicht gerade in den Chefetagen des bundesrepublikanischen Literatur-Establishments. Eric Ambler bemerkte einmal, der Thriller sei die letzte literarische Zuflucht für einen Moralisten, sicher ist, daß seine Moral auch darin liegt, daß man sich im Thriller noch an die ehernen Gesetze des Geschichtenerzählens hält. Seine Gegenwelt macht nicht mehr der fragwürdige Sieg moralisch diskreditierter Instanzen über das Böse aus, sondern basiert darauf, daß er in einer Zeit, in der alles zu Chiffren zerfällt, die nichts mehr erklären, noch immer den Plot liefert, der den Irrsinn plausibel macht. So absurd es klingt: Ohne den Thriller wäre die Welt noch viel bedrohlicher.

V
    Im Englischen bedeutet das Substantiv Plot – außer Parzelle und Artilleriezielort, Bauplan und Diagramm – ja zugleich Fabel eines Romans oder Schauspiels wie auch Intrige, Verschwörung, Komplott; eine Verbindung, die der deutschen Literatur herzlich wesensfremd ist. Daß der Handwerker Thomas im Aufbau seiner Plots allererste Spitzenklasse ist, versteht sich bei den Standards, die in der angelsächsischen Literatur, und besonders beim Thriller, gelten, von selbst. Was seine Geschichten indes so faszinierend macht, daß man ihnen den Rang eines eigenen Genres einräumen möchte, das ist die hohe Kunst des Komplotts, der raffinierte Umgang mit der Intrige, die Aura der Verschwörung, die nur einer zu Papier bringen kann, der intimen Umgang mit ihren Verlockungen gehabt und den Dämonen der Versuchung mannhaft ins Auge geblickt und ihnen nie den Rücken zugekehrt hat.
    Dazu kommt, daß der »Plotter« Thomas als Erzähler über einen völlig eigenständigen, sarkastisch-lakonischen
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